25.6.4.
Zum Urteil des päpstlichen Gerichtshofs der Rota zu Rom
(Prälat, Prof. Dr. Hollweck)
25.6.5.
Neue Wege zur Bekämpfung der Ueberfüllung - ein Gegenvorschlag
(RA. Weyrauch)
1257
XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 20.
1258
3. Hieran möchte ich noch eine allgemeine Bemer-
kung anschließen. Ohne Entschlossenheit derer, die
es angeht, d. h. der verschiedenen Berufs- und Lebens-
kreise, wird die ganze Verdeutschungsarbeit der neueren
Zeit und des Sprachvereins eine Danaidenarbeit sein und
bleiben*. Die große Aengstlichkeit bei der Prüfung von
Wortvorschlägen ist nicht am Platze, wo es nottut, gute
Wortmünzen neu zu prägen. Wie wäre es, wenn auf
der ganzen Erde überhaupt nur das Deutsche, als einzige
Sprache, gesprochen würde? Würde nicht in diesem
Falle, weil es eben sein müßte, für etwas sachlich Neues
ohne weiteres irgendein neues deutsches Wort ausge-
münzt werden? Statt dessen schielt man bei uns noch immer
nach der fremden Sprache hin und meint, daß „so ganz“
die vorgeschlagene Verdeutschung den Sinn des fremden
Wortes doch nicht wiedergebe. Das ist aber auch gar
nicht nötig. Ein Wort kann nicht alles sagen, man muß
darunter etwas verstehen! Der „Tischler“ macht nicht nur
Tische, in „Gestüten“ findet man nicht bloß „Stuten“
usw. Darum möge vor allen die „freie“ Anwaltschaft
mutig damit den Anfang machen, den „Zedenten“ „Heber-
träger“, den Zessionär „Hebernehmer“ und den Bureau-
vorsteher „Kanzler“ zu nennen. Die Wissenschaft, die
Rechtsprechung und die Gesetzgebung werden dem gewiß
folgen. Rom ist nicht an einem Tage erbaut worden.
Geh. Justizrat Bruns, Torgau.
Zum Urteil des päpstlichen Gerichtshofs der
Rota zu Rom betr. die Ehe des Grafen Boni de Castellane
mit der Amerikanerin Anne Gould. Die hierüber, S. 1121
d. Bl., angestellten Betrachtungen stützen sich anscheinend
auf nicht authentisches Material. Man erhält den Eindruck,
daß die Bekundung des Willens, protestantisch zu bleiben,
um sich die Möglichkeit der Scheidung zu erhalten, der
Grund der Nichtigkeitserklärung gewesen sei, und daß der
römische Gerichtshof in diesem Grund nur ein Expediens
gefunden habe, um dem Grafen die Eingehung einer zweiten
Ehe zu ermöglichen. In Wirklichkeit handelt es sich um
Setzung einer Bedingung seitens der Gould, welche sich
gegen das Wesen der Ehe richtet. Nach* kanonischem
Recht ist die Ehe wesentlich eine einheitliche, un-
auflösliche Verbindung zum Zweck der Fortpflanzung.
Eine Bedingung, die sich gegen die Einheit der Ehe,
ihre Unauflöslichkeit oder gegen ihren Zweck richtet, ver-
nichtiget das Rechtsgeschäft, weil dadurch die innere
Natur des Institutes vernichtet ist. Die irrtümliche, allen-
falls bei den Kontrahenten vorhandene Anschauung, daß
die Ehe löslich sei, daß ihr Zweck ausgeschlossen werden
könne, hat für die Gültigkeit noch keine Bedeutung. Erst wenn
aus einer solchen Anschauung heraus eine conditio sine
qua non des Konsenses gemacht wird, wirkt sie vernich-
tigend auf das Rechtsgeschäft, als welches die Abschließung
der Ehe auch nach kanonischem Recht erscheint. Graf
Castellane hat die Beisetzung einer solchen Bedingung
seitens der Anne Gould behauptet und daraufhin die
Nichtigkeit der Ehe zu erweisen gesucht. Das erste Mal
ist ihm dieser Beweis nicht gelungen. In der Appellations-
instanz gelang derselbe und daher das obsiegende Urteil.1)
Das ist der Kern der Sache.
Prälat Dr. Jos. Hollweck, Professor des
kanonischen Rechts, Eichstätt.
Neue Wege zur Bekämpfung der Ueberffillung
— ein Gegenvorschlag. Auf S. 1061 d. Bl. macht RA.
0 Das Ui teil ist enthalten in Acta Apostolicae Sedis, tom. V,
Nr. 11, pag. 312; über die kanonische Lehre siehe Hergenroether-
Hollweck, Lehrbuch des KRechts S. 746ft., bes. 749 nr. 919.
Dr. Wimpfheimer den Vorschlag, das Referendarexamen
durch eine Konkurrenz zu ersetzen. Der Gedanke dürfte
— tatsächlich eingeführt — nur wenig am gegenwärtigen
Zustand ändern. Es käme auf einen Befehl an die
Prüfungskommission heraus, in einem gewissen Zeitraum
nur einer gegebenen Anzahl von Kandidaten das Zeugnis
der bestandenen Prüfung zu erteilen. Alle Kandidaten an
einem Tage und einem Orte durch eine und dieselbe
Kommission mündlich prüfen zu lassen, ist bei der großen
Zahl der Bewerber unmöglich, selbst wenn unter nur
30 Berufenen nur 20 auszuwählen wären. Denn auf ein
mündliches Examen wird man nicht verzichten wollen und
können, da der persönliche Eindruck des Kandidaten in
die Wagschale fallen muß. Verteilt man aber die Bewerber
auf verschiedene Termine, so ist es nicht möglich, sie auch
bei gleicher Zusammensetzung der Kommission einiger-
maßen gerecht so zu reihen, daß Nr. 1 besser wie 3,
Nr. 20 gerade besser wie Nr. 21 ist. Es käme auf einen
numerus clausus der zu erteilenden Zeugnisse heraus. Der
erfolglose Bewerber würde in der Volksanschauung keines-
wegs vom Makel des durchgefallenen Juristen befreit sein.
Eine Konkurrenz empfiehlt sich nur, wo ein Examen nicht
in Frage kommt, sondern frühere gute praktische Leistungen
den Ausschlag geben, etwa bei der Wahl eines Bürgermeisters.
Richtig ist aber der Grundgedanke jenes Aufsatzes,
lieber gleich von vornherein die Eingangstür zur juristischen
Laufbahn überzähligen Bewerbern zu sperren, als diese
mit 35 Jahren als ungeeignet zur Anstellung auszubooten.
Am besten ist es, diese Sperrung schon an den Beginn
des Studiums zu legen. Der junge Abiturient kann sich
dann ohne Zeitverlust, ohne mit dem Makel des Durch-
fallens behaftet zu sein, einem anderen Beruf zuwenden.
Ohne Aenderung der Verfassung der Hochschulen ist dies
nur auf einem Wege möglich. Vor das Studium auf der
Universität ist ein praktisches Jahr auf dem Gericht zu
legen. Es ist hier nicht der Ort, auseinanderzusetzen,
wie dies zu gestalten wäre, und daß es dem Universitäts-
unterricht die lästige Aufgabe abnehmen würde, den jungen
Juristen in die Urelemente seiner Wissenschaft einzuführen,
wodurch das Studium gründlicher und fruchtbarer sich
gestalten müßte. Schon dies müßte genügen, es einzu-
führen, ähnlich wie es beim technischen Studium schon
eingeführt ist.
Und eben bei der Annahme der Bewerber zum prak-
tischen Jahr müßte die Ausschließung der Ueberzähligen
einsetzen! Die Zahl wäre so zu bemessen, daß nach
spätestens 2 Jahren jeder Assessor als Richter oder Staats-
anwalt angestellt ist. Dies läßt sich berechnen; Fehler in
der Berechnung, welche sich durch höheres oder niederes
Dienstalter der Angestellten bald zeigen, lassen sich durch
zeitweilige Vermehrung oder Verminderung von Neuein-
stellungen leicht verbessern.
In allen Zweigen der Jurisprudenz wäre eine Besserung
zu spüren. Es hieße Wasser ins Meer gießen, die Vorteile
für den Staat und die einzelnen aus rascherer Anstellung
der Juristen und Abstellung der Ueberfüllung zu schildern.
Die in unseren Kreisen leider schon eingerissene Ehe-
losigkeit würde teilweise aufhören und der gerade bei den
Intellektuellen grassierende, dort besonders bedenkliche
Rassenselbstmord zu einem kleinen Teile bekämpft werden.
Nur an diese schwärende Wunde im Staatsleben sei mir
gestattet, den Finger zu legen. Man könnte sogar er-
wägen, das praktische Jahr von der Referendarzeit abzu-
rechnen, um so mehr als die Verwendung der Referendare zu
Protokollführern durch höhere Anordnung eingeschränkt ist
und somit 3 Jahre zu deren Ausbildung vollkommen genügen.
Ob man die Auswahl der Bewerber für das ein-
geschobene praktische Jahr der Justizverwaltung anheim-