24.1.5.
Die Novelle zum Reichsstempelgesetz v. 3. Juli 1913
(RegR. Dr. Greiff)
1171
XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeilung. 1913 Nr. 19.
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ihnen dies auch noch gar nicht möglich gewesen,
weil, wie z. B. in Preußen, die Aenderung der Vor-
schriften nur durch Gesetz erfolgen könnte. In
Preüßen ist § 36 AusfGes. z. GVG. maßgebend,
dessen Grundsätze günstiger sind als die der BRV.
Gesondert von diesen Vorschriften ist am
23.Aug. 1913 eine bayerische Bekanntmachung
erschienen (JMB1. S. 193), welche die Bildung der
Schöffen- und Schwurgerichte und die Vorbereitung
der Schwurgerichtssitzungen regelt. Sie faßt viele
Vorschriften zusammen und bringt eine Geschäfts-
vereinfachung und Erhöhung der Selbständigkeit
der äußeren Behörden, indem sie den OLG.-
Präsidenten verschiedene Anordnungen überträgt.
Für die Auswahl der Schöffen und Geschworenen
macht sie im Anschluß an den aus einer älteren
Bek. übernommenen Hinweis, daß zum Laienrichter
ohne Rücksicht auf Stand und Parteizugehörigkeit
die Tüchtigsten berufen werden sollen, darauf auf-
merksam, daß angesichts der Einführung von Tage-
geldern die Vermögens Verhältnisse außer Betracht
bleiben müssen. Die Bek. ordnet ferner an, daß
künftig den Schöffen bei der Benachrichtigung von
ihrer Wahl und den Geschworenen bei ihrer Ladung
zur Dienstleistung ein Leitfaden ausgehändigt wird,
der in aller Kürze über die Rechte und Pflichten
des Schöffen und Geschworenen aufklärt sowie die
Verfassung der Schöffen- und Schwurgerichte und
den Gang des Verfahrens vor ihnen schildert.
Die Novelle zum Reiehsstempelgesetz
v. 3. Juli 1913.
Von Regierungsrat Dr. Greiff, Berlin.
Dip Reichsstempelnovelle und das Gesetz über
Aenderungen im Finanzwesen, beide v. 3. Juli 1913
(RGBl. S. 639 und S. 521), greifen in das Reichs-
stempelrecht, erstere auch in das Abgabenwesen der
Einzelstaaten, in z. T. recht einschneidender Weise
ein. Eine Uebersicht der wesentlichsten neuen Be-
stimmungen1) sei nachstehend gegeben:
A. Nach dem erwähnten Finanzgesetz fällt der
angefeindete Scheck- und Bankquittungs-
stempel (TNr. lORStG.) mit Ablauf des 31.Dez. 1916.
Bis zu diesem Tage müssen also nach wie vor alle
Schecks und ihnen gleichgestellte Quittungen mit 10Pf.
versteuert werden. Bis zum 31. März 1917 wird der
100°/o-Zuschlag zur Reichsgrundwechsel- und Fidei -
kommißabgabe (RStG. 95 f, bisher §§ 89 f) weiter-
erhoben; erst von da ab kann an den allmählichen
„Abbau“ des Grundstücksstempels gedacht werden.
B. Die Bestimmungen des Entwurfs über den
Gesellschafts- und Versicherungsstempel
(vgl. S. 564 ff. d. Bl.) sind im wesentlichen in das
Gesetz (§§ 1—9, TNr. 1 A; §§ 97—106, TNr. 12)
übergegangen. Immerhin sind der Kommissions-
arbeit einige Verbesserungen zu verdanken.
q Auf den Inhalt der im RZenlrBl. 802 veröffentlichten Aus-
führungsbestimmungen des Bundesrats z. RStG. kann hier, da es sich
bei ihnen vorwiegend um steuertechnische Einzelheiten (z. B. betr. die
Art der Erhebung der Abgabe, die Ueberwachung von deren ordnungs-
mäßiger Entrichtung usw.) handelt, nicht eingegaugen werden.
Was die TNr. 1 A anlangt, welche sich an die bis-
herige Ist. 25 pr. StG. anschließt, so können wenige
Bemerkungen genügen.1) Die Kapitalassoziationen,
welche sich bei Errichtung der reinen Kapitalsgesell-
schaften sowie bei Erhöhung des Gesellschaftskapitals
vollziehen, unterliegen einer teilweise über die bis-
herigen landesrechtlichen Steuersätze hinausgehenden
Abgabe, die regelmäßig auf die Gesellschaftsverträge
gelegt ist. Aktiengesellschaften usw. zahlen 41/2°/o,
G. m. b. H. 3°/0 und, wenn sie „nach dem Inhalt
des Gesellschaftsvertrages oder auch nur tatsächlich
den Erwerb oder die Verwertung von Grundstücken
betreiben“, sogar 5% (des Grund- oder Stamm-
kapitals, des Betrages der Erhöhung dieses Kapitals
oder der Nachschüsse). Der Begriff dieser letzteren,
dem erhöhten Stempel unterworfenen G. m. b. H.,
deckt sich mit dem des — gegen Steuerumgehungs-
versuche durch Mobilisierung der Grundstücke ge-
richteten — § 3 des ZuwStG. Danach braucht
es sich bei Verwertung von Grundstücken nicht um
deren Veräußerung zu handeln. Andererseits fallen
unter jenen Begriff nicht solche Gesellschaften, die
sich lediglich aus Betriebsrücksichten veranlaßt sehen,
Grundstücke zu erwerben oder zu veräußern. Ab-
weichend vom ZuwStG. ist aber der Kreis der
Grundstücksverwertungsgesellschaften auf die Rechts-
form der G. m. b. H. beschränkt. Nach einem
Kommissionsbeschluß wird der Stempel von 5% auf
21/2% für solche Gesellschaften herabgesetzt, „die
sich aus Handwerkerkreisen, insbes. im Baufach
bilden, vielfach nur um einen Verlust der einzelnen
Teilnehmer infolge des Zusammenbruchs einer Bau-
firma abzuwenden“.
Bei den übrigen Gesellschaften mußten die
Steuersätze niedriger gegriffen werden. Für Errich-
tung offener Handelsgesellschaften usw. ist 1/10°/0
(des Wertes der das Gesellschaftsvermögen bildenden
Einlagen, abzüglich der auf ihnen ruhenden Schulden),
jedoch wenigstens 20 M. zu entrichten, bei sog.
Gelegenheitsgesellschaften (dieser Begriff, dem
ALR. entlehnt, ist dem BGB. fremd) ist ein Fest-
stempel von 10 M., bei Genossenschaften, deren
Geschäftsbetrieb nicht über den Kreis ihrer Mitglieder
hinausgeht, ein solcher von 5 M. fällig. TNr. 1 A c
weicht von dem pr. StG. Tst. 25 b und dem Urkunden-
prinzip insofern ab, als die Abgabe für die Errich-
tung von offenen Handelsgesellschaften (undKommG.)
auch dann zu entrichten ist, wenn eine Urkunde
nicht aufgenommen ist; die Steuer ist in diesem Falle
„zu dem Antrag auf Verlautbarung der Firma im
Handelsregister zu erheben“. Weiter steht, wiederum
abweichend vom preußischen Rechte (und dessen
Nachfolgern) dem Vertrag über die Errichtung einer
Genossenschaft die Erklärung des Beitritts2) zu einer
Genossenschaft, deren Geschäftsbetrieb über den
Kreis ihrer Mitglieder hinausgeht, gleich.
Die — im großen und ganzen dem bisherigen
Rechte der TNr. 1 entsprechenden — Befreiungs-
Ueber Streitfragen betr. die Auslegung der Novelle vgl.
Saut er (Bankarcbiv 12 S. 228 ff.), Seyffart (das. S. 243 ff.) und
Weinbach (Holdheim 22 S. 141 ff.).
2) Vgl. Waldecker in Holdh. 22, 101 ff.