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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 19.
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Wiederaufnahme des Verfahrens rechtskräftig auf-
gehoben oder die Löschung durch Gnaden-
erweis bewilligt wird. Ueber gelöschte Vermerke
darf nur den Gerichten, den Staatsanwaltschaften und
auf ausdrückliches Ersuchen den höheren Verwaltungs-
behörden Auskunft erteilt werden.
Der Bundesrat hat gleichzeitig auch für Gnaden-
erweise, die einen anderen Inhalt als die Löschung
von Strafen haben, die Vormerkung im Strafregister
angeordnet und die im Falle der Bewilligung einer
Bewährungsfrist zu machenden Mitteilungen geregelt.
Das gleiche war bisher landesrechtlich vorgeschrieben.
Di eAusführungsb es tim mungender größeren
Bundesstaaten zu der BundesratsVO. beschränken sich
überwiegend auf die durch die VO. unmittelbar ver-
anlaßtenVorschriften. Abgesehen von der württem-
bergischen AusfBest.1) sind sie aber mit älteren Vor-
schriften über die Strafregister zusammengefaßt. Die
AusfVerf. des preußischen Justizministers v. 7. Juli
1913 (JMB1. S. 267), die in eingehender und zweck-
mäßiger Weise die Tätigkeit der Strafregisterbehörden
und die mit der Strafregisterführung zusammen-
hängende Tätigkeit der Strafverfolgungs- und Straf-
vollstreckungsbehörden regelt, ist eine Ueberarbeitung
der AusfVerf. v. 7. Sept. 1896 (JMB1. S. 294) und
übernimmt noch den Stoff von 7 weiteren Verfügungen.
Die bayrische Bek. v. 12. Juli 1913 (JMB1. S. 91)
faßt alle Vorschriften über die Strafregister zusammen.
Die sächsische MinVO. v. 3. Juni 1913 (JMB1. S. 54)
arbeitet die Vollzugs Vorschriften in die Geschäfts-
ordnung für die sächsischen Justizbehörden ein. Der
badische Min.-Erlaß v. 12. Aug. 1913 (JMB1. S. 106)
sieht die Ergänzung der bad. StrafregOrdn. vor. Die
hessischen Vorschriften v. 28. Juli 1913 (Amtsbl. d.
Min. d. Justiz Nr. 6) stimmen mit der preuß. Ausf.-
Verf. fast überein.
Von dem Inhalt der Ausführungsbestimmungen
ist bemerkenswert, daß in Sachsen die Landesjustiz-
verwaltung die Löschung von Strafen anordnet.
Die übrigen größeren Bundesstaaten betrachten die
Löschung von Strafen als einen Ausfluß des Gnaden-
rechts der Krone. Teilweise sind aber die Ministerien
ermächtigt, sie zu bewilligen, so z. B. in Baden.2)
Bei den bayerischen Vorschriften verdient
Beachtung, wie Bayern die Strafregister den Zwecken
der Strafrechtspflege und der Polizei möglichst weit-
gehend nutzbar zu machen, dabei aber Unzuträglich-
keiten zu vermeiden sucht. Unter den Verurteilungen,
für die nach § 2 der BRV. über die Strafregister
die Aufnahme ins Strafregister nicht vorgeschrieben
ist, sind viele, deren Kenntnis für die Handhabung
der Strafrechtspflege und der Polizei von Wert ist.
Deshalb war bisher in Bayern im Gegensätze zu
den übrigen größeren Bundesstaaten, in denen für
1) MinVerf. v. 14. Juli 1913, Reg.-Bl. S 175.
2) Dort kann das Justizminist, die Strafregister vermerke über
gerichtlich erkannte Verweise, Geldstrafen, Haftstrafen und Gefängnis-
strafen bis zu 6 Wochen sowie über Ausspruch und Vollzug der
Heb er Weisung an die Landespolizeibehörde gemäß § 362 Abs. 2 StrGB.
im Gnadenwege löschen lassen. Eine entsprechende Ermächtigung ist
hinsichtlich der Strafregistervermerke über die gemäß § 361 Nr. 1—8
StrGB. im Polizeistrafverfahren ausgesprochenen Strafen dem Min. d.
kn. erteilt.
die Aufnahme von Verurteilungen ins Strafregister
in der Hauptsache nur die BRV. maßgebend ist, über
den Rahmen der BRV. hinaus die Aufnahme ins Straf-
register für Verurteilungen im Privatklageverfahren
und wegen Übertretungen vorgeschrieben, die für
die Beurteilung des allgemeinen bürgerlichen Lebens-
wandels oder des Verhaltens des Verurteilten in seiner
besonderen Berufsstellung von Bedeutung sind. Die Vor-
schrift wurde vielfach nicht richtig vollzogen. Es wurden
viele Verurteilungen ins Strafregister aufgenommen,
deren Aufnahme unnötig, für die Verurteilten aber
mißlich war. Nun ordnet die Bek- v. 12. Juli 1913
an, daß neben den Verurteilungen, deren Aufnahme
die BRV. vorschreibt, andere strafrechtliche Verur-
teilungen dann ins Strafregister aufzunehmen sind,
wenn die Verfehlung für die Beurteilung der Persön-
lichkeit des Verurteilten wichtig ist, insbes. wenn
sie Roheit, Gewalttätigkeit, Verkommenheit, Hang
zu Ausschreitungen, Mißachtung fremden Eigentums,
Unzuverlässigkeit im Beruf oder Gewerbe erkennen
läßt. Ausgenommen sind Verurteilungen wegen
a) Forstfrevels und Forstpolizeiübertretung, worüber
in Bayern besondere Verzeichnisse geführt werden,
b) der in § 2 Abs. 2 Nr. 4 BRV. bezeichnten militäri-
schen Verbrechen und Vergehen. Gleichzeitig wurde
auch die Auskunftserteilung hinsichtlich der auf Grund
landesrechtlicher Vorschrift ins Strafregister aufge-
nommenen Verurteilungen eingeschränkt. Auskunft
über solche Verurteilungen darf nur auf ausdrück-
liches Ersuchen erteilt und dieses nur im Falle eines
Bedürfnisses gestellt werden.
II. Eine alte Forderung hat das Reichsgesetz
betr. die Entschädigung der Schöffen und Ge-
schworenen v. 29. Juli 1913 (RGBl. S. 617) erfüllt,
indem es Tagegelder für die Laienrichter einführt.
Das von den drei süddeutschen Bundesstaaten an-
geregte Gesetz ist aus sozialpolitischen Erwägungen
sehr zu begrüßen.
Die Festsetzung der Höhe der Tagegelder und
die bisher den Bundesstaaten überlassene Regelung
der Reisekostenvergütung an die Schöffen und Ge-
schworenen übeiträgt das Gesetz dem Bundesrat.
Dieser hat nach der Bek. des Reichskanzlers v. 2. Aug.
1913 (RGBl. S. 618) das Tagegeld auf 5 M. fest-
gesetzt. Daneben erhält der Schöffe und Geschworene
für jedes durch die Dienstleistung notwendig ge-
wordene Nachtquartier eine Zulage von 3 M. und als
Reiseentschädigung abgesehen von besonderen Fällen
einen Pauschbetrag, der nach der Kilometerzahl des
Hin- und Rückwegs und nach der Art des Be-
förderungsmittels bemessen und auch für die Zwischen-
reisen während der Tagung gewährt wird.
Die Vertrauensmänner des Ausschusses für die
Wahl der Schöffen und Geschworenen (GVG. § 40)
bekommen nach wie vor nur Vergütung der Reise-
kosten. Die landesrechtlichen Vorschriften für deren
Bemessung sind unberührt geblieben. Die bayerischen
Vorschriften wurden aber durch die VO. v. 18. Aug. 1913
(GVB1. S. 497) den Vorschriften der BRV. augepaßt.
Von den größeren Bundesstaaten scheint keiner
diesem Beispiel gefolgt zu sein. Teilweise wäre
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