Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 16/17.

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Vorbehalt in § 46 der ReichsgewO. ist somit für Stellen-
vermittler von keiner Bedeutung. Das für Gewerbetreibende
allgemein durch den § 46 geschaffene Vorzugsrecht der
Witwe aus § 46 findet daher auch auf das Gewerbe der
Stellenvermittler Anwendung. Danach bedurfte die Bekl.
zur Fortsetzung des Gewerbebetriebes ihres verstorbenen
Ehemannes in eigener Person keiner neuen Erlaubnis;
sie trat vielmehr ohne weiteres in Ansehung der Konzession
und innerhalb deren Grenzen an die Stelle des Verstorbenen,
(ürt. III. B. 15/12 v. 30. Jan. 1913.) •
Wildschaden. Kosten der Abschätzung. Der an-
gefochtene Bescheid stellt einen auf Grund des § 58 der
JagdO. erlassenen Vorbescheid dar. Gegen ihn stand daher
dem Kl. nach § 59 Abs. 1 a. a. O. die Klage im Ver-
waltungsstreitverfahren zu. Mit dieser Klage, die beim
Nichtvorliegen einer polizeilichen Verfügung auch nur
gegen den durch Wildschaden geschädigten Grundbesitzer
gegeben sein würde, hätte der Kl. aber bloß geltend
machen können, daß er zum Ersätze des Wildschadens
oder der entstandenen Kosten (§ 58 Abs. 1 der JagdO.)
nicht verpflichtet sei. Diese Verpflichtung bestreitet Kl.
jedoch nicht. Wie der Antrag und die Begründung der
Klage ergeben, bemängelt er, indem er im übrigen zur
Tragung des Wildschadens wie der Kosten bereit ist, viel-
mehr nur die Höhe der vom Bürgermeister aufgestellten
Kostenrechnung. Zu diesem Zwecke findet aber die Klage
aus § 58 a. a. O. nicht statt. Es ist dem ersten Richter
darin beizutreten, daß der Kl. die von ihm verlangte Herab-
setzung der gedachten Kostenrechnung nur durch Anrufen
der Aufsichtsbehörde erreichen kann. Für diese Behörde
würde es sich übrigens gegebenenfalls in erster Linie um
eine Prüfung der Frage handeln, ob die Verwalter der
Ortspolizei bei Erledigung der ihnen durch die §§ 56 ff.
a. a. O. übertragenen Obliegenheiten überhaupt berechtigt
sind, für von ihnen wahrgenommene Amtsgeschäfte Reise-
kosten und Tagegelder oder die Erstattung barer Auslagen
zu beanspruchen. (Urt. III. C. 88/12 v. 6. Febr. 1913.)
B. V. u. VI. Senat (Staats st euer Sachen).
Mitgeteilt von Oberverwaltungsgerichtsrat Mrozek, Berlin.
Ergänzungssteuersachen.
Bewertung landwirtschaftlicher Nebenbetriebe. Der
Normalreinertrag, welcher dem nach § 11 Abs. 1 des
ErgGes. i. d. F. v. 26. Mai 1909 maßgebenden Ertrags-
werte zugrunde zu legen ist, hat den Ertrag der landwirt-
schaftlichen Nebenbetriebe mit zu umfassen; andere Um-
stände kommen bei der Bewertung dieser Betriebe überhaupt
nicht in Betracht. Stehen dagegen gewerbliche Betriebe
nicht in unmittelbarer Verbindung mit dem landwirtschaft-
lichen Betriebe, stellen sie sich vielmehr als selbständige
Betriebe dar, so ist der gemeine Wert der ihnen dienenden
Grundstücke und Gebäude sowie des Zubehörs nach den
für die Schätzung des gewerblichen Anlage- und Betriebs-
kapitals gegebenen Vorschriften zu ermitteln und umzusetzen.
(Urt. VI. Sen. Rep. E. VII b 5-/12 v. 16. Nov. 1912.)
Bewertung landwirtschaftlicher Grundstücke. Bei
der Ausmittelung des Normalreinertrages nach § 11 Abs. 1
des ErgSteuerGes. i. d. F. v. 26. Mai 190) darf für den
Wert der Arbeitsleistung des Eigentümers als Wirtschafts-
führer kein Abzug gemacht werden. (Urt. VI. Sen. Rep.
E. XI a 9/12 v. 16. Nov. 1912.)
Verfahrensmangel. Es ist gleichgültig, ob die Be-
rufungskommission den maßgebenden Inhalt eines in Betracht
kommenden Testaments durch dessen Einsicht oder auf
Grund der Angaben des Steuerpflichtigen und seines Be-
vollmächtigten festgestellt hat. Wesentlich ist nur, daß die
Beruf.-Kommission den ganzen Inhalt gekannt und gewürdigt
hat. (Urt. VI Sen. Rep. E. XII b 12/12 v. 8. Jan. 1913.)
Bayerisches Oberstes Landesgericht
in München.
Strafsachen.
Mitgeteilt von Staatsrat i. ord. Dienste Dr. v. Henle, München.
Wechselseitige Beleidigung. Antragsfrist (§ 198
des StrGB.). Die Vorschriften über die Stellung des Straf-

antrags gehören nicht nur dem Prozeßrechte, sondern auch
dem materiellen Strafrecht an, wegen Verletzung dieser
Vorschriften ist daher die Revision zulässig. Die Ver-
längerung der Antragsfrist nach § 198 des StrGB. findet
nur statt, wenn wechselseitige Beleidigungen oder Körper-
verletzungen einander gegenüberstehen. Bei wechselseitigen
Beleidigungen besteht ein Anspruch auf Bestrafung der
früheren Beleidigung nach § 198 StrGB. dann nicht mehr,
wenn das Recht der Strafverfolgung zur Zeit, als die
spätere Beleidigung begangen wurde, durch den Ablauf
der Antragsfrist schon erloschen war. — Auch in dem Falle,
daß eine Privatklage wegen Beleidigung gestellt ist, kann
eine Widerklage wegen Körperverletzung erhoben werden;
es ist nicht erforderlich, daß sich wechselseitige Beleidi-
gungen oder wechselseitige Körperverletzungen gegenüber-
stehen. (Urt., StS., RevReg. 113/12 v. 18. März 1912.)
Verbringung des Angeschuldigten in eine öffent-
liche Irrenanstalt. Die Anordnung, daß der Angesch. in
die psychiatrische Klinik auf die Dauer von sechs Wochen
zu verbringen sei, steht weder mit dem Wortlaut noch
dem Zwecke des § 81 StrPO. im Einklang. Das Gesetz
ermächtigt das Gericht nur zu der Anordnung, daß der
Angeschuldigte behufs Beobachtung seines Geisteszu-
standes in eine öffentliche Irrenanstalt gebracht werde,
und bestimmt gleichzeitig, daß die Verwahrung die Dauer
von 6 Wochen nicht überschreiten darf; dabei bleibt es
den Sachverständigen überlassen, welche Beobachtungs-
dauer sie innerhalb des Rahmens von sechs Wochen zur
Bildung ihres Urteils für erforderlich halten. (Beschl., StS.,
BeschwReg. 217/12 v. 22. März 1912.)
Oberlandesgericht Darmstadt.
Mitgeteilt vom Senatspräsidenten Dr. Keller, Darmstadt.
Beschränkung des Armenrechts. Der Kläger A be-
gehrte vom LG. Gewährung des Armenrechts, um einen
Schaden von 4000 M. geltend zu machen. Es wurde nach
Antrag beschlossen. Die Klage wurde jedoch für 12 000 M.
erhoben, da der Schaden in dem für 3 Jahre vereinbarten
Jahresgehalt von je 4000 M. bestehe. Der Bekl. B be-
antragte „Entziehung“ des Armenrechts für den Mehr-
betrag von 8000 M., und das LG. gab diesem Verlangen
wegen Aussichtslosigkeit der erweiterten Rechtsverfolgung
statt. Der Kläger verfolgte Beschwerde, da eine teilweise
Entziehung des Armenrechts nicht angängig und hier auch
sachlich ungerechtfertigt sei. Das OLG. erkannte dahin,
daß eine „Entziehung“ des Armenrechts nicht in Frage
komme, da dieses nur bis zum Betrage von 4000 M. be-
willigt sei. Kläger habe sein Armenrechtsgesuch selbst
ziffermäßig beschränkt, und die Prüfung des LG. (§ 114
ZPO.) habe sich daher nur in diesem Rahmen bewegen
können. Es sei nicht der Willkür der armen Partei über-
lassen, später die Wohltat des Armenrechts auf beliebig
erhöhte Ansprüche auszudehnen. Denn die Vorprüfung des Ge-
richts müsse stets auch die Lage des Gegners berücksich-
tigen. (Beschl. OLG. II. ZS. W. 104/12 v. 19. April 1912.)
Oberlandesgericht Oldenburg.
Mitgeteilt von Oberlandesgerichtsrat Weinberg, Oldenburg.
§ 98 ZPO. Vergleichen Parteien sich nur in der
Hauptsache, nehmen aber den Kostenpunkt vom Vergleiche
aus, dann tritt doch die Verteilung der Kosten nach § 98
ein; das Gericht hat eine Entscheidung über die Kosten
abzulehnen. Die Fassung, wenn Parteien nicht „etwas
anderes“ vereinbart haben, bedeutet „etwas positiv anderes“,
d. h. eine andere Verteilung der Kosten. Maßgebend dafür
Zweckmäßigkeitsgründe. (Beschl. W. 5/12 vom 24. April 1912.)
Gemeinrechtliches Universalfideikommiß. § 52 GBO.
Der Ende 1899 verstorbene X bestimmte in seinem Testa-
mente, daß sein Nachlaß nach dem Tode seines Erben,
soweit er dann noch vorhanden sei, an gewisse Verwandte
fallen solle. Der Fiduziarerbe wurde im Jan. 1900 als
Eigentümer eines Nachlaßgrundstückes in das Grundbuch
eingetragen. Dabei trug das GBAmt von Amts wegen
gemäß § 52 GBO. das Recht der Fideikommissare in
Abt. II ein. Nach dem Tode des Fiduziarerben weigerte
es sich, dessen Erben als Eigentümer des Grundstückes

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