Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

7.1.5. Zum 50. Geburtstage des Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs

25

XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 1.

26

Aber der vorliegende Entwurf wandelt diesmal einen
ganz anderen, bisher noch wenig betretenen Weg,
ja, es will mir scheinen, als ob er dabei in neuer,
schöpferischerWeise der Monopolfrage Bahnen wiese,
deren Tragweite vorläufig noch ganz unübersehbar
ist, vielleicht eine sehr bedeutende Zukunft gewinnen
wird. Nicht das Reich selbst soll, zunächst wenig-
stens, die ihm durch das Monopol verliehene aus-
schließliche Befugnis zur Einfuhr von Leuchtöl und
zum Großhandel1) damit ausüben. Freilich gibt der
Entwurf ihm dazu das Recht und behält ihm auch
laut § 15 eine spätere eigene Ausübung in aller
Form vor. Aber zunächst soll damit eine besondere
Vertriebsgesellschaft betraut werden, über deren
Organisation der Entwurf sich ausführlich ausspricht.
Man geht von dem, wie mir scheint, durchaus zu-
treffenden volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt aus,
daß der ersprießliche Betrieb des Handels mit Leuchtöl
ein Maß von geschäftlicher Gewandtheit, von
Agilität voraussetze, wie es einem schwerfällig-
bureaukratischen Staatsbetriebe nicht oder doch zur
Zeit noch nicht zugetraut werden könne (vgl. Begr.
S. 21—22).
Die Vertriebsgesellschaft soll die Form einer
Aktiengesellschaft erhalten, die allerdings ge-
setzlich in wichtigen Punkten besonders geregelt
wird (Entw. § 4), auch der durch einen Reichs-
kommissar auszuübenden Aufsicht des Reichskanzlers
untersteht, aber doch in ihrem Kern offenbar ein
privatrechtliches Gebilde darstellt (so auch Be-
gründung S. 22). Der naheliegende und in der
Kritik hervorgehobene Vergleich mit der Reichs-
bank läßt sich nur zum kleinsten Teile durch-
führen. Das bureaukratische Element tritt bei
der Vertriebsgesellschaft zurück, insbesondere sind
ihre Angestellten keine Beamten. Die Staatsauf-
sicht kann ihr ebensowenig einen öffentlichrecht-
lichen Grundcharakter verleihen, als den Hypotheken-
banken.
Darum wird man auch das Rechtsverhältnis, in
das der Reichsfiskus zur Vertriebsgesellschaft treten
soll, wesentlich nach den Gesichtspunkten des
Privatrechts zu beurteilen haben; es ist m. E.
nichts als ein Gesellschafts Verhältnis. Der
Staat bringt der Vertriebsgesellschaft als Beitrag die
Ausübung seines monopolistischen Vertriebsrechtes
ein, während diese ihn dafür mit einem bestimmten
Anteil am Betriebsgewinn beteiligt. Daß bei diesem
Gesellschaftsverhältnis beide Gesellschafter ihrerseits
aus juristischen Personen .bestehen, kann selbst-
verständlich kein Bedenken erwecken.
Freilich tritt der Fiskus bei der Geschäftsführung
der Vertriebsgesellschatt nach außen nicht hervor;
nur am finanziellen Endergebnis, nicht an den ein-
zelnen Geschäften der Vertriebsgesellschaft wird er
beteiligt, wird aus jenen also weder berechtigt oder
verpflichtet. Aber das kommt bekanntlich auch bei
anderen Gesellschaften vor: im römischen Recht
kennt man überhaupt nur eine auf die internen
Rechtsbeziehungen ein wirkende „Innengesell-

schaft", und dem heutigen Handelsrecht ist der
Begriff der „stillen Gesellschaft“ geläufig.
Auch daß der Fiskus nur am Gewinn, nicht
am etwaigen Betriebsverlust beteiligt wird, macht
nichts aus: derartiges ist zugunsten des „stillen“
Gesellschafters im HGB. § 336 Abs. 2 in aller
Form als zulässig anerkannt und kann auch bei an-
deren Gesellschaften verkommen.1)
Die Rechtsstellung der Vertriebsgesellschaft ist
nicht für alle Zeiten gewährleistet. Sie kann (Entw.
§ 15 Abs. 4) durch den Reichskanzler aufgelöst werden,
wenn sie „das Gemeinwohl gefährdet oder in ihrer Ge-
schäftsführung fortgesetzt den Zwecken dieses Gesetzes
zuwiderhandelt.“ Aber auch davon abgesehen, soll die
Uebertragung der Monopol-Befugnisse auf sie immer
nur auf Zeit, längstens auf 30 Jahre, geschehen können
(Entw. § 2), und nach Ablauf der Uebertragungszeit
tritt ein Uebernahmerecht des Reichs — gegen
Entschädigung — in Kraft (§ 15 Abs. 1):
„Wird der Gesellschaft die ihr gemäß § 2 übertragene
Ausübung des Vertriebs nach Ablauf der festgesetzten Zeit
nicht erneut übertragen, so kann das Reich das ganze
Unternehmen mit allen Grundstücken, Anlagen, Behältnissen,
Vorräten und sonstigen zum Geschäftsbetrieb erforderlichen
Sachen übernehmen. Der Reichskanzler hat die Ueber-
nahme 2 Jahre vor Ablauf der im § 2 vorgesehenen Zeit
der Vertriebsgesellschaft anzukündigen.“
Doch kann die Vertriebsgesellschaft auch ihrer-
seits sich auflösen und dadurch das Reich zur Heber-
nahme zwingen (§15 Abs. 3); obwohl das inner-
halb der ersten 10 Jahre an die Zustimmung des
Reichskanzlers gebunden sein soll, erscheint diese
Befugnis keineswegs als unbedenklich.
Die politische und volkswirtschaftliche Beur-
teilung des Entwurfs gehört nicht an diese Stelle;
rechtlich ist die Vorlage m. E. im wesentlichen
ein großzügiges, wohl durchdachtes Werk, das die
Aufmerksamkeit unserer Juristen verdient und Be-
anstandungen von ihrer Seite grundsätzlich kaum
ausgesetzt sein wird.

Zum 50. Geburtstage des Sächsischen
Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Von Reichsgerichtsrat Dr. Wülfert, Leipzig.
Labuntur anni — am 2. Jan. 1913 sind 50 Jahre
verflossen, seit die Kgl. sächsische Verordnung, die
Publikation des Bürgerlichen Gesetzbuchs betreffend,
erschien. In Kraft getreten ist es freilich erst mit
dem 1. März 1865, und geherrscht hat es nur bis
1. Jan. 1900, an dem es durch seinen größeren
Nachfolger, das die Einheitlichkeit des Zivilrechts
für ganz Deutschland begründende BGB. v. 18. Aug.
1896 ersetzt wurde. So hat es sein Bestehen aui
nicht mehr als 37, seine Wirksamkeit auf bloß 34
Jahre und 10 Monate gebracht. Nach dem großen
Maßstabe der Geschichte gemessen, hat es mithin eine
zeitlich und örtlich wenig ausgedehnte Geltung ge-
habt, und doch ist es für die Entwicklung des
deutschen bürgerlichen Rechts im ganzen von größerer
Bedeutung gewesen, als allgemein bekannt ist. So
i) S. meinen Kommentar zum BGB. § 722 Z. 2 und dort Zit.

*) Der Kleinhandel verbleibt nach dem Entw. dem Privatbetrieb.

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer