Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

21.1.3. Eine Betrachtung zum neuen Wassergesetz

951

XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 15.

952

Ueberall aber macht sich der eigentlich treibende
Gedanke des Rechts, die Niederkämpfung des der
Staats- und Gesellschaftsordnung widerstrebenden
Willens, der Feindseligkeit und antisozialen Gelüste
der Menschen untereinander kräftig geltend. Es soll
nicht schwächlichen Regungen und einer Nachsicht
gegen das Unrecht weichen, die doch nur dazu
mithelfen, den Bau der Rechtsordnung in seinen
Grundfesten zu unterwühlen.

Eine Betrachtung zum neuen Wassergesetz.
Von Ministerialdirektor a. D. Dr. J. Hermes, Berlin.
Der Inhalt des neuen Wassergesetzes y. 7. April
d. J. ist bereits S. 438 ff. 1913 d. Bl. von berufener
Seite skizziert worden. Bedeutung und Umfang des
Gesetzes, des größten Gesetzgebungswerkes, das seit
dem Allg. Landrecht in Preußen verabschiedet ist,
und der eigenartige gesetzgeberische Lauf des Ent-
wurfs, erfordern aber m. E. eine weitere sum-
marische Würdigung dieses, für das öffentliche und
für das Privatwasserrecht wie für die Wasserwirt-
schaft gleich bedeutsamen Aktes der Gesetzgebung.
Der Gesetzentwurf ist, ungeachtet des in der
Materie beruhenden Widerstreites wichtiger wirt-
schaftlicher Interessen, zweimal einstimmig im
Abgeordnetenhause angenommen worden, das eine
Mal in der Gesamtabstimmung auf Grund der Be-
ratungen in der Kommission und im Plenum des
Abgeordnetenhauses, das zweite Mal durch en bloc-
Annahme der veränderten Fassung, in der der
Entwurf vom Herrenhause zurückgelangt war. Dieser
ungewöhnliche Vorgang ist in der Hauptsache auf die
gründliche Vorbereitung des Regierungs entwurfs zu-
rückzuführen. Das „nonum prematur in annum" hat
sich als Grundsatz hier wieder einmal bewährt, wenn
schon es nicht 9, sondern 23 Jahre waren, die zwischen
der ersten Vorbereitung und dem Abschluß lagen.
Nach früheren Vorarbeiten im Landwirtschafts-
ministerium wurde im Jahre 1890 auf Veranlassung
des Staatsministeriums eine Ministerialkommission
aus Vertretern sämtlicher beteiligter Ressorts und
des Reichsjustizamtes berufen, um die gesetzliche
Regelung des gesamten Wasserrechts für Preußen
vorzubereiten. Diese Kommission hatte im Oktober
1893 ihre Beratungen beendet, und der von ihr auf-
gestellte Entwurf wurde mit Begründung im Jahre
1894 veröffentlicht. Eine Hochflut von Besprechungen,
Wünschen und Abänderungsanträgen war die be-
greifliche und auch vorausgesehene Folge. Die Auf-
arbeitung dieses Materials erforderte viel Zeit. Zu-
gleich war es aber die Beanspruchung durch andere
Gesetzgebungsarbeiten und die Notwendigkeit, auf
wasserrechtlichem Gebiete alsbald mit einer Reihe
von Spezialgesetzen für die Hochwasserregulierung
vorzugehen, was die Förderung des allgemeinen
Wassergesetzentwurfes verzögerte. Erst 1904 wurden
die Arbeiten mit Nachdruck wieder aufgenommen,
und im Jahre 1907 wurde der wesentlich umgearbeitete
Gesetzentwurf wiederum einer beschränkten Oeflent-

lichkeit übergeben. Die darauf eingegangenen Be-
richte und Aeußerungen führten zu einer nochmaligen
Umarbeitung, worauf 1911 der Entwurf endgültig
festgestellt und noch am 31. Dez. 1911 dem Ab-
geordnetenhaus vorgelegt wurde.
Es war für das Gelingen des Werkes hohe Zeit,
daß die Regierung die Vorarbeiten zum Abschluß
brachte und sich auf einen bestimmten Gesetzentwurf
festlegte. Denn die Referenten in den Ministerien
und die Minister selbst wechseln, und da die Gründe,
die für und gegen eine bestimmte Gestaltung der Ge-
setzesvorschriften auch vom Standpunkte des Inter-
essenten geltend zu machen sind, dieselben bleiben,
verschiebt sich leicht der Standpunkt des Bearbeiters,
und es entsteht allmählich die Gefahr, daß man sich
im Kreise dreht. Diese Gefahr ist hier zum Glück
noch vermieden. Abgesehen davon, daß die Be-
hördenorganisation des Entwurfes von 1894 aus guten
Gründen aufgegeben ist, steht grundsätzlich der Ge-
setzentwurf von 1911 mit den früheren Entwürfen
bei manchen Abweichungen doch wesentlich auf
gleichem Boden. Namentlich ist die Behandlung
der Wasserläufe als Gegenstand des Privateigentums
schon im Entwurf von 1894 vorgesehen, und zwar
auf Grund von Vorschlägen aus dem Landwirtschafts-
ministerium, die nicht im mindesten fiskalische Zwecke
verfolgten, wie das zu Unrecht der Eigentumsregelung
des Gesetzentwurfes im Abgeordnetenhause nach-
gesagt worden ist.
Der lange vorbereitete Entwurf ist im Landtage,
namentlich in der Kommission des Abgeordneten-
hauses, nicht minder gründlich durchberaten worden.
Diese hat 56 Sitzungen auf die Beratung des Ent-
wurfes und auf die Berichtsfeststellung verwendet,
703 Abänderungsanträge waren dabei zu erledigen.
Der Kommissionsbericht ergibt, wie eingehend die
Beratung war; sind doch allein auf die Wiedergabe
der Verhandlungen über einen Paragraphen, aller-
dings einen der bedeutsamsten (§ 379 des Gesetzes),
47 Seiten verwendet. Der Regierungsentwurf enthielt
365 Paragraphen, ihre Zahl ist durch die Aen-
derungen und Zusätze im Landtage auf 401 gestiegen.
Staatsrechtlich von gewissem Interesse ist, daß
das Gesetz eine ganze Reihe kleiner sprachlicher
Abweichungen gegenüber dem vom Landtage an-
genommenen Gesetzestext (Drucks. Nr. 1200 des
Abg.H.) aufweist. Die Kommission des Abgeordneten-
hauses war insbesondere dem Dativ „e" der Regie-
rungsvorlage zu Leibe gegangen, hatte das aber nicht
konsequent durchgeführt. Die Notwendigkeit, das
Gesetz in sich, in seinem Ausdruck, einheitlich zu
gestalten, gewährt in solchen Fällen auf Grund unge-
schriebenen Rechtes der Regierung die Befugnis zur
notwendigen gleichmäßigen Ueberarbeitung. Völlig
gelungen ist sie noch nicht (vergl. § 122 des Gesetzes).
Auf die großen materiellen Fortschritte, die
das Gesetz gegenüber dem bisherigen Stande des
Wasserrechts bringt, ist hier nicht näher einzugehen.x)
Nur der Vorzug der Vereinheitlichung des Rechts,
*) Vergl. darüber die Einleitung meiner Handausgabe des
Gesetzes (mit Erläuterungen), Berlin 1913.

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