19.6.8.
Auslobung durch Gutscheine
(Ass. Dr. Dalberg)
863
XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 13.
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Schreibens des Ehemanns hervor, daß er im Namen seiner Ehe-
frau an den Beklagten die Aufforderung zur Freigabe richtete.“
Diese Rechtsauffassung erscheint mit dem Gesetz und
den Bedürfnissen des Verkehrs nicht vereinbar. Das Ge-
setz knüpft die Wirksamkeit des sog. einseitigen empfangs-
bedürftigen Rechtsgeschäfts an die Vorlegung einer Voll-
macht, wenn der Nichtvorlegung unverzüglich ein Grund
zur Zurückweisung des Rechtsgeschäfts entnommen wird.
Daß die Aufforderung des dinglich Berechtigten, ebenso
wie bei Schuld Verhältnissen die Mahnung des Gläubigers,
ein einseitiges Rechtsgeschäft i. S. dieser Vorschrift dar-
stellt, ist nicht zu bezweifeln (Planck, N. 8 zu § 130
BGB.). Es lag also Glaubhaftmachung des Rechts eines
Dritten durch einen Nichtberechtigten vor (und zwar trotz
des Inhalts des Aufforderungsschreibens, in dem die Voll-
macht nur behauptet, aber nicht nachgewiesen war). Diese
kann aber unmöglich ausreichen, um den Anwalt des
Gläubigers zu einem Verzicht auf das gesetzmäßig er-
worbene Pfändungspfandrecht zu nötigen. Denn es kommt
nicht selten vor, daß ein Schuldner ohne Vorwissen und
gegen den Willen des Berechtigten die Freigabe der
gepfändeten Gegenstände verlangt, um sich so auf be-
queme Weise seinen Verpflichtungen zu entziehen. Die
Glaubhaftmachung des Rechts des Dritten fällt ihm regel-
mäßig nicht schwer, da er sich selbst im Besitze der dazu
nötigen Urkunden zu befinden pflegt, aber die Vollmacht
des Berechtigten erhält er nicht immer, da er trotz Mangels
pfändbarer Gegenstände sehr wohl in der Lage sein kann,
die Mittel zur Befriedigung des Gläubigers aufzubringen
und die Versteigerung aus eigener Kraft zu verhindern.
Es muß also doch dem Gläubiger oder seinem Anwalt die
Möglichkeit gewahrt sein, sich zu vergewissern, ob die
Aufforderung zur Freigabe vom wirklich Berechtigten aus-
geht, ohne sofort die Belastung mit den Kosten einer
Widerspruchsklage riskieren zu müssen. Dem Interesse
des Berechtigten aber ist gewöhnlich schon durch die Mög-
lichkeit der Erwirkung eines Einstellungsbeschlusses gedient.
Leider erwies sich eine weitere Beschwerde, trotzdem
die Beschwerdesumme des § 568 Abs. 3 ZPO. in dem
fraglichen Falle gegeben war, nach der Plenarentscheidung
des RG. Bd. 57 S. 310 ff. als unzulässig.
Rechtsanwalt Dr. Moos, Stuttgart.
Auslobung durch Gutscheine« Zwei Fälle aus
der Praxis geben Anlaß zu folgenden Erörterungen:
1. Eine Fabrik packt ihren Seifen je einen Zettel
folgenden Inhalts bei: Der Ueberbringer von 10 dieser
Gutscheine erhält von uns dafür ein Stück Seife gratis.
Ein Detailhändler, der die Seifen zum Weiterverkauf ge-
kauft hat, öffnet die Verpackung, entnimmt die Scheine
und verschließt die Verpackung wieder, um dann die Seifen
so weiter zu verkaufen. Es beansprucht von der Liefe-
rantin auf Grund der Gutscheine die Prämie.
2. Eine Firma fügt ihren Teepaketen ähnlich lautende
Gutscheine bei. Ein Detailhändler findet für die Marke keinen
Absatz. Er öffnet die Pakete, mischt den Tee und verkauft
ihn ohne Verpackung nach Gewicht weiter. Auf Grund der
den Paketen entnommenen Zettel verlangt er die Prämie.
Das Vorgehen des ersten Händlers ist offenbar illoyal,
das des zweiten ohne weiteres nicht. Dennoch wird auch
im zweiten Falle wie im ersten eine das wirtschaftliche
Interesse des Fabrikanten gebührend berücksichtigende
Beurteilung zur Verneinung des Anspruchs führen müssen.
Zweifelhaft wäre dies Ergebnis, wenn man, wozu der
Wortlaut der Gutscheine leicht führen könnte, die Scheine
als Inhaberpapiere auffassen würde, durch deren, nach
sachenrechtlichen Grundsätzen erfolgten Erwerb der Prämien-
anspruch erzeugt würde. Denn dann würde doch das
Eigentum am Gutschein, solange er sich in der Verpackung
befindet, mit dem Eigentum an der Ware zusammenfallen,
und es wäre auch der Kleinhändler als Eigentümer der
Ware stets aus den Gutscheinen anspruchsberechtigt. Die
Auffassung der Gutscheine als Inhaberpapiere käme aber
überhaupt nur in Betracht, wenn bereits ein einzelner Gut-
schein einen Anspruch erzeugen würde. Dies ist zwar
theoretisch denkbar, wird aber praktisch kaum Vorkommen,
weil dann der durch die Gutscheine angestrebte Anreiz
zum Sammeln derselben und damit zum Weiterbezug der
Waren entfallen würde. Wenn erst eine Mehrzahl der
Zettel einen Anspruch erzeugt, verkörpert der einzelne
Zettel keinen Wert in sich. Es gibt dann nicht etwa ein
Zettel einen Anspruch auf 1/10 oder 9 Zettel auf 9/10 der
Prämie. Der einzelne Zettel wird erst wertvoll im Zu-
sammenhang mit allen anderen; er ist kein Inhaberpapier.
Richtig wird es sein, das Versprechen des Gutscheinaus-
stellers als Auslobung aufzufassen. Es ist eine Belohnung aus-
gesetzt für die Vornahme einer Handlung, nämlich für die
Einreichung einer Anzahl Gutscheine. Fraglich könnte nur
sein, ob eine öffentliche Bekanntmachung der Auslobung vor-
liegt, wie es dem Begriffe wesentlich ist (§ 657 BGB.). Das
Prämienversprechen wendet sich allerdings nicht unmittelbar
an die Oeffentlichkeit, sondern nur an diejenigen Personen,
welche in den Besitz eines Pakets der Ware gelangen, die
Verpackung öffnen und so den Zettel mit dem Versprechen
zu Gesicht bekommen. Es genügt aber, wenn die Auslobung
jedermann zugänglich ist,1) wenn ein individuell nicht ab-
gegrenzter Personenkreis davon Kenntnis zu nehmen Gelegen-
heit hat,2) und das ist hier der Fall, da ein jeder in der
Lage ist, ein solches Warenpaket zu erwerben und zu öffnen.
Der für die Auslegung der Auslobung nun wesent-
liche, wahre Wille des Auslobenden (§ 133 BGB.) wird
aus dem wirtschaftlichen Zweck erkenntlich, der mit der
Auslobung verfolgt wird. Dieser Zweck kann nicht der
sein, den Kunden dadurch nur einen Rabatt zu geben;
das könnte durch niedrigere Preisbemessung einfacher er-
folgen. Die Gutscheine sollen Reklamezwecken dienen.
Der Fabrikant rechnet damit, daß ein Käufer der Ware
zur Sammlung der Zettel und damit zu weiterem Bezug
der Ware veranlaßt wird. Unter Berücksichtigung dieser
Erwägung kann der in dem Gutschein zutage tretende
Wille des Auslobenden nur dahin gehen, daß nur solche
Scheine prämiiert werden sollen, die aus bereits in den
Konsum . übergegangenen Warenpaketen entnommen sind,
so daß also irgendeinem Konsumenten zumindest der in
den Gutscheinen liegende Anreiz zum Weiterbezug der
Waren zum Bewußtsein gekommen ist. Diesem Willen
des Auslobenden entspricht es nicht, wenn, wie in obigen
Fällen, ein Händler die Gutscheine an sich nimmt und erst
dann die Waren in den Konsum bringt, sei es in der
Originalverpackung, sei es ohne diese. Zulässig erscheint
es aber, daß ein Händler, wie es vielfach geschieht, sich
die Scheine von seinen Kunden zurückgeben läßt oder
daß er sie auf irgendwelche andere Weise aus dem Konsum
zurückerwirbt und sie selbst zur Prämiierung präsentiert.
Ebenso wird auch jeder dritte Nichtkonsument, der die
Scheine, nachdem die Waren in den Konsum gelangt sind,
auf irgendwelche Weise erworben hat, sei es auch etwa
durch Delikt, die Prämie beanspruchen dürfen. Das Recht
des Auslobenden, die Prämie zu verweigern, beschränkt
sich also auf die in den obigen Beispielen gegebenen
Fälle, wo die Waren nicht in den Konsum gelangt sind.
Gerichtsassessor Dr. Dalberg, Charlottenburg.
1) Komm, der RGRäte § 657 BGB.
2) Staudinger, § 657, 4 BGB.