19.1.2.
Die Praxis des Wertzuwachssteuergesetzes
(RA. Dr. Lion)
831
XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 13.
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hieß es: wer vorsätzlich in einer den öffentlichen
Frieden gefährdenden Weise Verbrechen öffentlich
verherrlicht — sollen zum Ausdruck bringen, einmal,
daß die Gefährdung nicht nur als Modalität der
Verherrlichung gedacht ist, sondern der vorn Vor-
sätze des Täters umfaßte Erfolg der Verherrlichung
sein muß, ferner, daß nicht eine Gefährdung des
öffentl. Friedens im subjektiven Sinne — der öffentl.
Friede verstanden als das Bewußtsein der Bevöl-
kerung von der bestehenden Rechtssicherheit —
gemeint ist, sondern die Gefährdung des objektiven
Zustandes friedlichen Zusammenlebens der Bevöl-
kerung, und endlich, daß unter Gefährdung nur die
naheliegende, nicht auch jede noch so entfernte
Möglichkeit einer Störung dieses objektiven Zu-
standes zu verstehen ist. In gleicher Weise wurde
•der Tatbestand des § 200 (§ 137 VE.), Aufreizung
von Bevölkerungsklassen, abgeändert. § 199,
Zulässigkeit von Einschließung, erfuhr keine
Aenderung, in § 200 (Mißbrauch des geist-
lichen Amtes), wurde lediglich der Begriff der
Oeffentlichkeit ergänzt. In § 202 (§ 133 VE.), Land-
zwang, wurden die Worte: „den öffentl. Frieden
stört“ ersetzt durch: „die Bevölkerung in Besorgnis
oder Schrecken versetzt“. Die §§ 203, 204 (§§ 133,
135 VE.), Landfriedensbruch und bewaffnete
Haufen blieben unverändert, in § 205 (§ 136 VE.),
Verbotene Vereine, wurde die Strafe auf 3 Jahre
Gefängnis oder 5000 M. Geldstrafe erhöht.
Der 10. Abschnitt, Angriffe gegen die Wehr-
macht, beginnt mit einer Bestimmung gegen heeres-
feindliche Umtriebe. Mit Gefängnis bis zu 3 Jahren
soll bestraft werden, wer in der Absicht, die mili-
tärische Zucht und Ordnung zu erschüttern, öffentlich
die bewaffnete Macht, militärische Einrichtungen
usw. beschimpft, verhöhnt oder in Bezug auf sie
unwahre, verächtlich machende Tatsachen behauptet
oder verbreitet. Bei § 207 (§ 148 VE.), Auf-
wiegelung von Militärpersonen, wurde fest-
gestellt, daß hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des er-
gangenen Befehles in objektiver und subjektiver
Richtung das gleiche gelten solle wie bei §§ 178,
179 (s. oben). In § 208 (§ 150 VE.), Beförderung
der Fahnenflucht, wurden die Worte: „Wer es
unternimmt, anzustiften“ ersetzt durch: „Wer auf-
fordert oder anreizt“, die Bestimmung über Hilfe-
leistung wurde gestrichen, da sie durch die inzwischen
getroffene Bestimmung über die Teilnahme an Sonder-
delikten gedeckt ist. In § 209 (§ 153 VE.), Falsch-
werbung, wurde für besonders schwere Fälle
Zuchthaus bis zu 5 Jahren vorgesehen. In den Fällen
der §§ 207 bis 209 kann neben Gefängnis auf Ver-
lust der bürgerl. Ehrenrechte erkannt werden. Die
§§ 210, 212 (§ 149 VE.), Verletzung der Militär-
pflicht und Auswanderung von Offizieren,
blieben unverändert, in § 211 (§ 149 VE.), Aus-
wanderung Wehrpflichtiger, wurde statt „aus-
wandert“ gesagt „das Bundesgebiet verläßt“, die
Strafe wurde auf 3 Jahre Gefängnis erhöht, die
kumulative Geldstrafe gestrichen, dagegen fakultative
Aberkennung der bürgerl. Ehrenrechte ausgesprochen.
Der Tatbestand des § 213 (§ 151 VE.), Selbst-
verstümmelung, wurde durch Zusatz der Worte:
„ganz oder teilweise“ ergänzt, um auszudrücken,
daß auch der strafbar sein solle, der sich nur in
gewissem Umfange oder für eine bestimmte Zeit
dienstuntauglich mache. Die Strate soll schlechthin
Gefängnis sein, daneben fakultativ Aberkennung der
Ehrenrechte. Der Tatbestand des § 214 Abs. 1
(§ 152 VE.), Wehrpflichtbetrug, blieb unver-
ändert. Im Abs. 2 wurde durch entsprechende
Fassung zum Ausdruck gebracht, daß auch der
strafbar sein soll, der zugunsten einer Person han-
delt, die nicht sich, sondern einen Dritten ganz oder
teilweise der Wehrpflicht entziehen will; hierbei ging
die Kommission davon aus, daß hier wie in Abs. 2
des § 213 auf Seite des Täters die Absicht der Ent-
ziehung nicht vorhanden sein müsse, es bei ihm viel-
mehr genüge, wenn er wisse, der andere wolle sich
oder im Falle des § 214 einen anderen der Erfüllung
der Wehrpflicht entziehen. § 215 blieb ungeändert.
Im 11. Abschnitt, Störung des religiösen
Friedens und der Totenruhe, blieben die §§ 216,
217 (§§ 155, 156 VE.), Gotteslästerung und Be-
schimpfung von Religionsgesellschaften, un-
verändert; in § 218 (§ 157 VE.), Störung des
Gottesdienstes, wurde „böswillig“ im ersten Misch-
tatbestande gestrichen, im zweiten durch Einsetzung
des Wortes „wissentlich“ zum Ausdrucke gebracht,
daß bei der Störung nur direkter Dolus genügen
solle; § 219 (§ 158 VE.) erfuhr nur redaktionelle
Aenderungen.
Die Bestimmungen über Herstellen und In-
verkehrbringen falschen Geldes (12. Abschnitt,
§§ 220, 221 KB., §§ 159 bis 161 VE.) blieben un-
verändert, in § 222 (§162 VE.), Vorbereitung der
Geldfälschung, wurde neben Anfertigen und Sich-
verschaffen auch das Ueberlassen an andere unter Strafe
gestellt. In Abs. 2 des § 223 (§ 163 VE.) wurde
lediglich gesagt, daß das Geld nur unbrauchbar zu
machen ist, woraus sich von selbst ergibt, daß es
in diesem Falle nicht eingezogen, sondern dem un-
beteiligten Eigentümer zurückgegeben wird. § 220
(§ 164 VE.), Banknoten usw., blieb unverändert; als
§ 224 a wurde eine Bestimmung über das unbefugte
Inverkehrbringen von im Inlande ausgestellten Schuld-
verschreibungen auf den Inhaber aufgenommen. § 225
(§ 284 VE.), amtliche Wertzeichen usw., wurde
lediglich durch Aufnahme der Generalklausel: „son-
stige inländische amtliche Wertzeichen“, ergänzt.
Die Praxis des Wertzuwaehssteuergesetzes.
Von Rechtsanwalt Dr. Lion, Berlin.
Bei dem allgemeinen Interesse, das gerade
gegenwärtig steuerrechtliche Fragen auf sich lenken,
erscheint eine Untersuchung der Frage von Bedeu-
tung, wie sich das Reichszuwachssteuergesetz in der
Praxis bisher bewährt hat. Die Zeit seiner Geltung
ist allerdings noch zu kurz, als daß sich darüber
bereits ein abschließendes Urteil fällen ließe. Immer-