Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

16.1.4. Ein Vorkaufsrecht bei Zwangsversteigerungen

613

XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 10.

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Frist wurde bei Verbrechen, die mit dem Tode oder
mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht sind, auf
25 Jahre erhöht. Für die Verjährung soll nur die
ordentliche Strafe in Betracht kommen ohne Rück-
sicht auf die im Allgemeinen Teile vorgesehenen
Schärfungen und Milderungen.
§ 115 (§ 95 Abs. 1), Fristbeginn, blieb un-
geändert, ebenso § 116 (§ 96 VE.), Ruhen.
In § 117 (§ 95 Abs. 2, 3 VE.), Verlängerung,
wurde die Verlängerung im Gegensätze zur Unter-
brechung beibehalten und in Abänderung des Be-
schlusses erster Lesung bestimmt, daß die Verlänge-
rung eintreten soll, wenn dies nach den besonderen
Umständen des Falles geboten erscheint, ferner, daß
jede Verlängerung die Dauer der Verjährungsfrist
nicht übersteigen darf und daß bei wiederholter Ver-
längerung die Frist bei Verbrechen nicht über 10 Jahre,
bei Vergehen nicht über 3 Jahre hinausgehen darf.
Die Fristen in § 118 (§ 97 VE), Voll-
streckungsverjährung, wurden dahin abgeändert,
daß bei allen Freiheitsstrafen bis zu 2 Jahren die
Frist 5 Jahre betragen soll; Beginn mit Rechtskraft
der Entscheidung, Ruhen wie in erster Lesung unter
Einfügung des § 87 (Arbeitshaus). An Stelle der
in § 121 Abs. 1 (§ 98 Abs. 2, 3 VE.) vorgesehenen
Unterbrechung tritt auch hier die Verlängerung,
selbstredend nicht durch das Gericht, soweit es nicht
Voilstreckungsbehörde ist, sondern durch diese. Die
Verlängerung darf bei Todesstrafen, Zuchthaus-
strafen und bei anderen Freiheitsstrafen von mehr
als 5 Jahren nicht mehr als die Hälfte, bei anderen
Strafen nicht mehr als die Dauer der ursprünglichen
Frist betragen.
Im letzten Abschnitte des Allgemeinen Teils
der Verbrechen und Vergehen (Wiedereinsetzung)
wurde die Beratung über die Löschung der Register-
vermerke zurückgestellt; es bleibt deshalb dieser
Abschnitt späterer Berichterstattung Vorbehalten.

Ein Vorkaufsrecht bei Zwangs-
versteigerungen.
Von Oberverwaltungsgerichtsrat Schifter, Mitglied des
Reichstags und des Abgeordnetenhauses, Berlin.
Der von der nationalliberalen Reichstagsfraktion
eingebrachte Antrag Bass ermann-Schiffer auf
Nr. 682 der Drucksachen ging dahin:
die verbündeten Regierungen um Vorlegung eines
Gesetzentwurfes zu ersuchen, durch den der Gemeinde,
•den anderweiten Kommunal verbänden, dem Staate und
dem Reiche bei allen Zwangsversteigerungen von Grund-
stücken ein kurz befristetes Vorkaufsrecht eingeräumt wird.
Dieser Antrag wurde mit 134 gegen 125
Stimmen abgelehnt. Die geringe Mehrheit, mit der
die Ablehnung erfolgte, rechtfertigt den Schluß, daß
der Gegenstand damit noch keineswegs endgültig
erledigt ist; auch der Antrag selbst wird wieder-
kehren und aufs neue im Reichstage zur Erörterung
und Entscheidung gestellt werden. Deshalb empfiehlt
es sich, ihn in der Zwischenzeit einer allgemeinen,
insbesondere einer wissenschaftlichen Besprechung

und Prüfung zu unterziehen; letzteres um so mehr,
als er von einer wissenschaftlichenx Untersuchung
seinen eigentlichen Ausgang nahm. Denn nach den
Erklärungen der Antragsteller knüpft er an die Ver-
handlungen des im Jahre 1910 in Danzig ab-
gehaltenen 30. Deutschen Juristentages über die
Frage an:
Empfehlen sich gesetzgeberische Maßnahmen, durch
welche die Haftung des persönlichen Schuldners für den
Hypothekenausfall beschränkt wird, wenn der Gläubiger
seine Hypothek nicht ausgeboten und das Grundstück weit
unter dem Werte erstanden hat?
Worum es sich handelt, ist klar. Der Hypo-
thekengläubiger ersteigert das Grundstück für einen
ganz geringen Betrag, etwa bloß den der Kosten,
verliert dadurch seine Hypothek, erhält aber tat-
sächlich volle Deckung in dem Werte des Grund-
stücks, den er vielleicht sehr bald, womöglich noch
mit Gewinn, durch Weiter Veräußerung realisiert.
Zugleich behält er seine Forderung gegen den per-
sönlichen Schuldner, den Gesamtschuldner, den
früheren Eigentümer, den Bürgen und kann sie,
wenn eine dieser Personen vermögend ist oder
nachträglich zu Vermögen kommt, einzieben; ebenso
wie er sich mit dem formellen Ausfall an dem
Konkurse über ihr Vermögen beteiligen kann. Er
erlangt also unter Umständen den doppelten Betrag
dessen, was er an sich zu beanspruchen hat. Nun
wurde auf dem Juristentage allerdings betont, daß
man es „für absolut unzulässig, verwerflich und un-
anständig halten würde, im Wege der Heranziehung
der persönlichen Haftung auch nur einen Pfennig
mehr zu verlangen, als die Forderung betrage“;
und daß es nicht die Aufgabe der Rechtspflege
sei, „einen solchen Mißbrauch des Gesetzes zu
sanktionieren und einer so bodenlosen Niedertracht
zum Siege zu verhelfen“. Auf der anderen Seite
wurde aber festgestellt, daß die Rechtsprechung
diesem Mißbrauch, dieser Niedertracht gegenüber
wenigstens dann versagt, wenn nicht besondere
Begleitumstände im einzelnen Falle ihr eine Hand-
habe zum Eingreifen bieten. Nun sind jedoch
Machinationen, die solche besonderen Umstände
darstellen würden, wie z. B. das planmäßige Ab-
und Fernhalten von Bietern, vielfach gar nicht not-
wendig, um den gewollten Erfolg herbeizuführen.
Ganz abgesehen von dem zeitweiligen Darniederliegen
des allgemeinen Grundstückmarktes oder von eigen-
artigen örtlichen Verhältnissen genügt oft schon
das Vorhandensein eines zum Ausbieten seiner
Hypothek bereiten und fähigen Gläubigers, um
andere Kauflustige abzuschrecken. Für diesen
Regelfall kennen unsere Gerichte keinen Rechts-
behelf, weder vom Gesichtspunkt der Arglist oder
der Sittenwidrigkeit noch von dem der ungerecht-
fertigten Bereicherung oder der Ausgleichung von
Gewinn und Verlust aus. Man hat diese Praxis
als unfrei, engherzig und formalistisch gescholten.
Indes sie besteht; und lediglich darauf zu warten,
daß sie sich von selbst ändert, hat angesichts so
grober Mißstände doch etwas Mißliches. Der Juristen-
tag wollte denn auch in seiner großen Mehrheit

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