Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 10.

tunlichst in Anstalten, die ausschließlich zum Arbeits-
haus bestimmt sind, bei Verbindung mit anderen
Anstalten räumlich getrennte Abteilungen, Trennung
der Geschlechter, Arbeitszwang, Hebung der Arbeits-
kraft, der geistigen und sittlichen Fähigkeiten, als
Regel Gemeinschaftshaft, in der Diebe, Hehler und
Betrüger von den übrigen Insassen zu trennen sind.
Gleiche Trennung erfolgt hinsichtlich der Zuhälter.
Einzelhaft zulässig unter näher bestimmten Voraus-
setzungen. Kehren Ausländer, gegen die an Stelle
der Unterbringung im Arbeitshause auf Ausweisung
erkannt wurde, unbefugt zurück, so soll die Landes-
polizeibehörde berechtigt, aber nicht wie nach den
Beschlüssen 1. Lesung verpflichtet sein, die Maß-
regel nachzuholen.
§ 97, Wirtshausverbot (§ 43 VE.), blieb un-
verändert* in den §§ 98, 99, Trinkerheilanstalt
(§ 65 VE.), traten nur insofern Aenderungen ein,
als die Voraussetzung, daß die Gesetzes Verletzung
eine erhebliche gewesen sein müsse, fallen gelassen
und die Bestimmung, daß bei Ablehnung eines An-
trages auf Entlassung oder Widerruf einer Entlassung
auf Antrag des Verurteilten das Gericht entscheide,
gestrichen wurde.
§ 100, Verwahrung bei fehlender oder
verminderter Zurechnungsfähigkeit (§ 65 VE.),
wurde dahin ergänzt, daß» wenn die Verwahrung
oder Unterbringung unterbleibt, auf Schutzaufsicht
erkannt werden kann. Erfolgt die Verwahrung, so
bestimmt die Landespolizeibehörde über die Ent-
lassung. Während aber in 1. Lesung beschlossen
worden war, daß gegen ihre Entscheidung das Ge-
richt angerufen werden kann, wurde nunmehr be-
stimmt, daß, wenn die Verwahrung über 2 Jahre
ausgedehnt werden soll, die Entscheidung des Ge-
richts von Amts wegen herbeizuführen ist, und daß
das Gericht bei Anordnung der Fortdauer der Ver-
wahrung zugleich zu bestimmen hat, in welcher
Frist die Entscheidung von neuem einzuholen ist.
In gleicher Weise ist bei der Sicherungshaft,
§§ 102, 103, zu verfahren, wenn die Verwahrung
über 3 Jahre ausgedehnt werden soll; das nach der
1. Lesung dem Verwahrten eingeräumte Recht, nach
zwei Jahren gerichtliche Entscheidung über die Fort-
dauer der Verwahrung zu beantragen, wurde be-
seitigt. Hinsichtlich ausgewiesener, unbefugt zurück-
gekehrter Ausländer soll es hier, desgl. bei Unter-
bringung in Trinkerheil-, Heil- oder Pflegeanstalten
wie beim Arbeitshaus (s. oben : fakultative Nach-
holung) gehalten werden.
Im 10. Abschnitt (Strafbemessung) wurden
die Strafzumessungsgründe des § 105 (§ 81 VE.)
ergänzt durch Aufnahme: der vom Täter angewen-
deten Mittel; ferner wurden als „wieder gutzu-
machende Folge“ der „angerichtete Schaden“ be-
zeichnet, und statt von „schärferer oder milderer“,
von „höherer oder niedrigerer“ Strafe gesprochen, da
es sich hier immer um Erhöhung oder Minderung
innerhalb des ordentlichen Strafrahmens handelt.
Bei alternativer Strafdrohung sollte nach den Be-
schlüssen erster Lesung auf Einschließung nur

erkannt werden dürfen, wenn festgestellt war, daß
die Tat weder auf ehrloser noch verwerflicher Ge-
sinnung beruhte, in diesem Falle aber auch daraut
erkannt werden müssen. Die Kommission hat dies
in 2. Lesung dahin abgeändert, daß auf Einschließung
nur erkannt werden darf — aber nicht muß, wenn
festgestellt ist, daß die Tat nicht auf ehrloser Ge-
sinnung beruht. Diese Voraussetzung muß auch
dann gegeben sein, wenn der Richter in Fällen,
in denen er hierzu befugt ist, die ordentliche Strafe
nach freiem Ermessen in Einschließung mildern will.
Gleichzeitig wurde beschlossen, daß neben Ein-
schließung unter den Voraussetzungen der §§ 97,
98 auf Wirtshausverbot und Unterbringung in eine
Trinkerheilanstalt erkannt werden kann.
Die Definition der mildernden Umstände
(§ 107 Abs. 1 KB., § 82 Abs. 2 VE.) wurde fallen-
gelassen.
In §108 besonders leichte Fälle (§ 83 VE.)
wurde durch entsprechende Fassung zum Ausdruck
gebracht, daß nicht nur der verbrecherische Wille
des Täters so gering und nach den Umständen so
entschuldbar, sondern auch die Folgen der Tat so
unbedeutend sein müssen, daß auch die mildeste
vom Gesetz angedrohte Strafe eine unbillige Härte
enthalten würde.
§ 109 besonders schwere Fälle (§ 84 VE.)
erfuhr lediglich redaktionelle Aenderung.
Wie schon früher bemerkt, hat die Kommission
besondere Strafzumessungsregeln für den Fall einer-
seits des Rechtsirrtums, andrerseits der verminderten
Zurechnungsfähigkeit, Jugend, Ueberschreitung von
Notwehr oder Notstand, Versuch und Beihilfe auf-
gestellt. Die betreffenden Bestimmungen wurden
nach § 107 eingefügt, desgl. eine weitere Bestimmung,
wonach beim Zusammentreffen mehrerer der in den
vorhergehenden Paragraphen bezeichneten Milderungs-
gründe unter den einschlagenden Bestimmungen
diejenige anzuwenden ist, welche die weiteste Berück-
sichtigung aller vorliegenden Milderungsgründe zuläßt.
Bei den Vorschriften über Rückfall, §§ 110
bis 112 (§§ 87—89 VE.), wurde die Bestimmung, daß
der Verbüßung einer Freiheitsstrafe die Verwahrung
in einem Arbeitshause gleichsteht, in §§110, 112
gestrichen. Die Bestimmung, daß die erhöhte Rück-
fallstrafe das Höchstmaß der Strafart nicht über-
steigen darf, wurde in § 111 (§ 88 VE.) nur für
Zuchthaus und Einschließung beibehalten, bei Ge-
fängnis dagegen bestimmt, daß hier, soweit Gefängnis
von mehr als 5 Jahren angedroht ist, diese be-
sonders angedrohte Höchstgrenze nicht überschritten
werden darf.
In § 112, gewerbs- und gewohnheits-
mäßige Verbrecher (§ 89 VE.), wurde die Frist,
innerhalb deren die neue Straftat begangen sein
muß, von 3 auf 5 Jahre verlängert.
§ 113 (§ 86 VE.), Untersuchungshaft, erfuhr
keine wesentliche Aenderung.
Der Eingang des §114 (§ 95 VE.), Verfolgungs-
verjährung, wurde dahin gefaßt: „Die Strafbar-
keit erlischt durch Ablauf der Verjährungsfrist.“ Die

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