15.6.7.
Ist die exceptio plurium zulässig, wenn die Mutter des Klägers Ausländerin ist?
(Refer. Recke)
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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 9.
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handelt, nicht unbeträchtlich sind. Einzelne Gerichte
haben nun, wenn der Gläubiger durch einen Anwalt ver-
treten war, bei Erlaß des Pfändungs- und lieb er Weisungs-
beschlusses die Zustellungsschreibgebühren auf Grund der
§§ 169 ZPO., 31 Gebührenordnung für Rechtsanwälte von
dem Pauschale des Anwalts gekürzt und insoweit die
Pfändung abgelehnt. Dieses Verfahren, welches geeignet
ist, die Anwälte unter Umständen um ihr ganzes Pauschale
zu bringen, unterliegt erheblichen Bedenken. Es ist
freilich davon auszugehen, daß auch für die im § 829
Abs. 2 ZPO. vorgeschriebene Zustellung durch den
Gläubiger die Bestimmungen über die Zustellung durch
die Partei im amtsgerichtlichen Verfahren, insbesondere
§ 166 Abs. 2 ZPO., anwendbar sind. Daraus folgt aber
nicht, daß der Gerichtsschreiber durch den Antrag auf
Erlaß des Pfändungsbeschlusses als stillschweigend be-
auftragt anzusehen ist, die Zustellung des demnächst
ergehenden Pfändungsbeschlusses zu vermitteln, denn der
§ 168 ZPO., aus welchem dieser stillschweigende Ver-
mittelungsauftrag allein hergeleitet werden könnte, findet
nur auf Parteierklärungen Anwendung, bei denen die
Partei stets in der Lage ist, ihrer Verpflichtung zur Her-
stellung der Abschriften aus § 169 ZPO. zu genügen.
Für die Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen da-
gegen gilt § 168 ZPO., wie schon vor der Novelle vom
1. Juni 1909 angenommen wurde, nicht.
Diese Auffassung wird durch die von der Novelle
neu eingefügten beiden letzten Sätze des § 699 Abs. 1
und des § 508 ZPO. bestätigt, wo für Vollstreckungs-
befehle und Versäumnisurteile die Regel des § 168 aus-
drücklich wiederholt ist. Für Pfändungsbeschlüsse findet
sich eine analoge Vorschrift nicht. Die Geschäftsordnung
für die Gerichts sehr eib er ei en der Amtsgerichte ist durch
die Allg. Verf. v. 29. Jan. 1910 (JMB1. S. 20) dem-
entsprechend durch Einfügung der Ziffer 2 a in §21 dahin
ergänzt worden, daß der Antrag auf Erlaß des Versäumnis-
urteils oder des Vollstreckungsbefehls im Zweifel schon
als Auftrag zur Vermittlung der Zustellung anzusehen sei,
während für andere gerichtliche Entscheidungen eine
gleiche Anweisung nicht ergangen ist. Der Gerichts-
schreiber handelt daher nur dann ordnungsmäßig, wenn
er den Pfändungsbeschluß im Regelfall durch formlose
Aushändigung, bei Ablehnung eines Teiles des Antrags
durch Zustellung dem Gläubiger übergibt und abwartet,
bis die Partei ihn unter Rückreichung des Beschlusses
gemäß § 21 Ziff. 6 der Geschäftsordnung für die Gerichts-
schreibereien der Amtsgerichte um Vermittelung der Zu-
stellung ersucht. Wenn dagegen nach der eingangs er-
wähnten Praxis dem Anwälte des Gläubigers keine Ge-
legenheit zur Einreichung der Abschriften gegeben wird,
dann ist ihm gegenüber der Standpunkt nicht gerecht-
fertigt, daß er für das Pauschale auch die Abschriften
hätte fertigen müssen und sich deshalb den Abzug der
durch die Herstellung der Abschriften durch den Gerichts-
vollzieher entstandenen Schreibgebühren von seinem
Pauschale gefallen lassen müsse, weil diese Schreib-
gebühren ohne sein Verschulden entstanden sind. Da
andererseits bei der Schwierigkeit der in Betracht
kommenden Fragen auch ein grobes Verschulden des
Gerichtsschreibers nicht angenommen werden kann, um
ihm die Schreibgebühren gemäß § 102 ZPO. aufzuerlegen,
so wird man nicht umhin können, diese Mehrkosten zu
den notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung gemäß
§ 788 ZPO. zu rechnen, die dem Schuldner zur Last
fallen. Die Ablehnung der Pfändung in Höhe der Schreib-
gebühren ist daher nicht gerechtfertigt. Anders ist
natürlich zu entscheiden, wenn der Gläubiger schon im
Pfändungsantrage um Zustellungsvermittelung ersucht,
weil dann die Zustellungsschreibgebühren durch ihn ver-
anlaßt werden und der Schuldner ein Recht darauf hat,
nicht mit Kosten belastet zu werden, die durch das
Pauschale schon abgegolten sind.
Rechtsanwalt Dr. S. Frankel, Beuthen O./S.
Ist die exceptio plurium zulässig, wenn die
Mutter des Klägers Ausländerin ist? Die Frage, in-
wieweit der Vater eines unehelichen Kindes zu dessen
Unterhalt verpflichtet ist, wenn die Mutter Ausländerin ist,
entscheidet Art. 21. EG. BGB.
Nach der herrschenden Meinung ist diese Vorschrift
dahin auszulegen, daß dem auf Unterhalt Verklagten die
exceptio plurium zusteht, auch wenn diese dem auslän-
dischen Recht unbekannt ist. Man begründet dies in der
Regel damit, daß die Beschränkung „es können jedoch nicht
weitergehende Ansprüche geltend gemacht werden, als nach
den deutschen Gesetzen begründet sind“, sich sowohl auf
den Umfang, als auch auf die Voraussetzungen der An-
sprüche beziehe.
Diese Ansicht erscheint irrig. Sie übersieht, daß
zwei Fragen zur Entscheidung stehen: 1. Wer ist der
Vater eines unehelichen Kindes, dessen Mutter Ausländerin
ist? 2. Welche Pflichten hat dieser Vater gegenüber dem
Kinde? Nur die zweite Frage beantwortet der Art. 21:
Die Unterhaltspflicht bestimmt sich nach dem Rechte der
Mutter, doch hat das ausländische Kind nicht weitergehende
Ansprüche als das inländische, z. B. keinen Anspruch auf
über die Lebensstellung der Mutter hinausgehenden Unter-
halt u. a.
Die Frage zu 1, wer im Sinne des Art. 21 Vater des
unehelichen Kindes ist, also wer für die Unterhaltsklage
passiv legitimiert ist, ist mangels anderweiter Bestimmungen
nur dahin zu beantworten, daß Vater derjenige ist, der das
Kind erzeugt hat. Irgendwelche gesetzlichen Vermutun-
gen für die Vaterschaft gibt es nicht. Insbesondere findet
§ 1717 BGB. keine Anwendung. Denn nur als Vater
im Sinne der §§ 1708 bis 1716 BGB. gilt derjenige,
welcher der Mutter in der Empfängniszeit beigewohnt hat,
nicht als Vater im Sinne irgendwelcher anderen gesetz-
lichen Bestimmungen, z. B. nicht im Sinne des § 1310
Abs. 3 BGB., und auch nicht im Sinne des Art. 21
EG. BGB. Die „analoge“ Anwendung bleibt gegenüber
der wörtlichen Beschränkung auf die §§ 1708—1716 BGB.
versagt.
Das uneheliche ausländische Kind hat also als Kläger
zu behaupten, daß es tatsächlich von dem Beklagten er-
zeugt ist. Es kann sich nicht auf die Behauptung be-
schränken, daß der Beklagte in der Empfängniszeit der
Mutter beigewohnt hat. Gelingt der Beweis, daß der
Beklagte den Kläger erzeugt hat, so ist unerheblich, daß
die Mutter in der Empfängniszeit auch mit anderen
Männern verkehrt hat. Kann der Kläger nur beweisen,
daß die Mutter mit dem Beklagten in der Empfängniszeit
Geschlechtsverkehr gepflogen hat, so bleibt er eben beweis-
fällig und die exceptio plurium ist überflüssig.
Danach ist die exceptio plurium immer unzulässig,
wenn die Mutter des Klägers Ausländerin ist. Es wird
lediglich der Beweiswürdigung des Richters überlassen
bleiben, ob er nur Bei Wohnung oder auch Erzeugung als
erwiesen ansehen will.
Daß diese Entscheidung auch dem praktischen Be-
dürfnis entspricht, wird derjenige zugeben, welcher die
Besonderheiten der Alimentenprozesse in unseren Grenz-
bezirken kennt.
Referendar Recke, Berlin.