15.2.
Juristische Rundschau
Von Rechtsanwalt Dr. Hachenburg, Mannheim
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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 9.
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mächtigte und Stationskontrolleure ein. — Durch den
Wegfall landesgesetzlicher Abgaben von Gesellschaftsver-
trägen und Versicherungen erleiden die Bundesstaaten
teilweise erhebliche Einbußen; um sie hierfür bis zur Er-
schließung neuer Einnahmequellen zu entschädigen, wird
ihnen (ähnlich wie im § 60 ZStG.) der bisherige Durch-
schnittsertrag zunächst voll, für eine weitere Zeit wenigstens
zur Hälfte überwiesen.
D. Der Entwurf überträgt dem Bundesrat in
weitgehendem Umfange die nähere Ausgestaltung
der neuen Vorschriften. So kann er anordnen, daß
die Aktien usw. von dem Aussteller mit einem
Vermerk über die erfolgte Abgabenentrichtung zu
versehen sind, anderseits aber auch, daß die Steuer
aus Tn. 1A und 12 nicht in bar, sondern durch
Verwendung von Stempelzeichen zu entrichten ist.
Ferner ist er befugt — und dies ist für die Praxis
von größter Bedeutung —, die Entrichtung der Ab-
gabe für Versicherungen durch Selbstentwertung
der Marken zuzulassen und auch anderweit den
Bedürfnissen der einzelnen Versicherungszweige
Rechnung zu tragen.
Ferner ist der Reichskanzler ermächtigt, die neue
Fassung des RStG. in fortlaufender Nummemfolge der
Abschnitte und Paragraphen bekanntzumachen. Es möchte
sich empfehlen, diese Befugnis — da die Beteiligten ohne-
hin umlernen müssen — auf die Bezifferung der Tarif-
nummem auszudehnen, so daß Tn. 3A (Kuponsteuer)
Tn. 4 wird usf.; das Beispiel der GewO, mit ihren un-
zähligen Unterparagraphen ist nicht nachahmenswert; auch
ist zu bedenken, daß wohl über kurz oder lang der Wechsel-
stempel dem RStG. eingegliedert wird und dann nach
altem Muster als Tn. 10A eingestellt werden müßte.
E. Trotzdem in der 1. Lesung die verschieden-
sten Parteien den Entwurf teilweise heftig angegriffen
haben, ist es mir gar nicht zweifelhaft, daß er im
großen und ganzen angenommen werden wird.
Grundsätzliche Bedenken stehen der Annahme nicht
entgegen. Es handelt sich bei den neuen Abgabe-
zweigen allerdings vorzugsweise — jedenfalls der
Sache nach — um direkte Steuern; so will insbe-
sondere die Abgabe von den Schadenversicherungen
den beweglichen Besitz mehr als bisher steuer-
lich erfassen und so zur Deckung des Bedarfs
heranziehen. Allein über die noch verschiedentlich
in der Theorie aufgestellte Lehre, das Reich
habe den Bundesstaaten die direkten Steuern zu
überlassen, ist die Praxis schon lange zur Tages-
ordnung übergegangen. Auch der noch jüngst von
J. V. Bredt aufgestellte Grundsatz von der Unzu-
lässigkeit eines Uebergriffs des Reiches in die
einzelstaatliche Besteuerung nach der Leistungs-
fähigkeit hält, selbst wenn man ihm an sich eine
gewisse Berechtigung nicht versagen darf, gegen-
über den Anforderungen der Gegenwart an den
Reichssäckel nicht stand, wobei ganz dahingestellt
bleiben mag, ob die neuen Besitzvorlagen finanz-
theoretisch nicht aus anderen Gesichtspunkten als
jenem begründet werden könnten (DJZ. 1913 S. 476).
Ungerechtfertigt ist auch der im Parlament
mehrfach erhobene Vorwurf, die Reichsregierung
habe es sich mit der Auswahl der neuen Steuern
zu leicht gemacht, indem sie den Einzelstaaten ein-
fach einige Abgaben weggenommen und ihnen die
Sorge für die Deckung des dadurch entstandenen
Fehlbetrags überlassen habe. In welcher Weise
die Bundesstaaten für Jahre hinaus von Reichs wegen
entschädigt werden, ist bereits gesagt. Weiter aber
lag für die Uebernahme der fraglichen Abgaben-
zweige in 'das Reichssteuersystem hinreichender
Anlaß vor. Es war ein Mißstand, daß bislang
neben dem Aktienstempel in den meisten Einzel-
staaten die verschiedensten Abgaben von den durch
jenen Stempel betroffenen wirtschaftlichen Vorgängen
erhoben wurden. Und die Einheitlichkeit des ma-
teriellen Versicherungsrechtes ließ es schon seit dem
Jahre 1908 wünschenswert erscheinen, auch für die
Besteuerung der Versicherungen eine einheitliche
Grundlage zu schaffen; auch können die Steuer-
sätze nicht als übermäßig hoch bezeichnet werden.
Zudem wird den berechtigten Klagen über eine
häufige Doppel-, sogar dreifache Besteuerung des-
selben Versicherungsvorganges, wie sie trotz ver-
schiedener Gegenseitigkeitsabkommen angesichts der
Ausdehnung der geschäftlichen Tätigkeit der großen
Versicherungsgesellschaften über das ganze Reichs-
gebiet vorkam, nunmehr ein Ende bereitet. Daß
i. J. 1909 die von der Regierung vorgeschlagene Ab-
gabe von den Feuerversicherungsquittungen nicht
angenommen wurde, hatte besondere, jetzt nicht vor-
liegende oder jedenfalls nicht mehr durchschlagende
Gründe.
F. Im einzelnen allerdings wird wohl der
Budgetkommission Anlaß zu Abänderungen gegeben
sein, doch muß ich mir versagen, hierauf einzugehen.
Jedenfalls erscheint es wünschenswert, dem
Westarpschen Vorschläge auf Erhöhung des Effekten-
stempels für ausländische Aktien näherzutreten; eine
solche auf 4% würde m. E. kaum zu nennens-
werten Schädigungen des Geldmarktes und der inter-
nationalen Zahlungsbilanz Deutschlands führen, dem
Reiche aber mehrere Millionen einbringen. Sofern
die ausländischen Aktiengesellschatten im Inland
weder ihren Sitz noch eine Zweigniederlassung
haben, sind sie nach dem Entwurf den inländischen
gegenüber wesentlich begünstigt; überdies ist der
Stempel auf inländische Aktien i. J. 1909 um 1%,
derjenige auf ausländische Aktien dagegen nur um
1/2°/0 heraufgesetzt worden.
Juristische Rundschau.
Auf Luneville folgt Nancy. Ein alltäg-
licher Vorfall, das ungezogene Benehmen einer
Anzahl händelsuchender Personen wird als Angriff
auf das ganze Volk empfunden. Die Beleidigung
des einzelnen wird in dem Momente zur Beleidigung
der Gesamtheit, wo jener wegen seiner Zugehörigkeit
zu dieser insultiert wird. Und wie im Einzelleben
gibt es auch im Leben der Nation Momente, in
denen man besonders empfindlich gegen die Miß-
achtung der Ehre ist und sein muß. Dadurch war
die sofort spontan eingetretene starke Reaktion in
Presse und Parlament begreiflich.
Die Wehrvorlage und das Deckungsgesetz
sind nach der ersten Lesung im Reichstage der Kom-