15.1.4.
Der Entwurf eines Gesetzes über das Erbrecht des Staates
(JR. Dr. Heinitz)
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XVIII.Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 9.
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den, beitragspflichtigen Vermögens gelten (Begr.
S. 17). Aber das entspricht nur der Tatsache, daß
die familienrechtliche Nutznießung überhaupt keine
eigentliche Einnahmequelle darstellt: der Mann hat
die Nutzungen des eingebrachten Gutes nur, weil
er die ehelichen Lasten einschließlich des Unter-
halts der Frau trägt. Wenn die Begründung (S. 19)
das Fideikommißvermögen noch durch die Bemer-
kung zu decken sucht, die Fideikommißaufsichts-
behörde, deren Genehmigung zu Kapitalseingriffen,
wenn landesrechtlich notwendig, trotz § 9 Abs. 2
erforderlich bleibe, könne diese Genehmigung auch
von Bedingungen abhängig machen, insbesondere
die Wiederansammlung des entnommenen Kapitals
vorschreiben, so beweist das jedenfalls nichts gegen
die grundsätzliche Natur der Vermögensauflage; ob
jene Bemerkung der Begründung gegenüber der
Norm des § 9 Abs. 2 als einer reichsrechtlichen
überhaupt haltbar ist, scheint zudem sehr zweifelhaft.
Gegen die Auffassung des aus dem eingebrachten
Gut zu entrichtenden Wehrbeitrags als einer Kapitals-
last kann auch der Umstand nicht entscheidend
sprechen, daß die Abgabe in zwei Terminen, je
zur Hälfte sofort und im Jahr 1915, zu entrichten ist
(§ 50). Auch diese Beträge sind noch ein Fünffaches
der Ergänzungssteuer, ein Sechzehntel des Kapital-
einkommens, und daß die Zweiteilung nichts am
Charakter der Last ändert, ist gerade daraus zu
entnehmen, daß jene privatrechtliche Fideikommiß-
klausel trotz der Zweiteilung vorgesehen ist. Wenn
endlich § 1 Satz 2 eine subsidiäre Berücksichtigung
der hohen Einkommen vorsieht, so liegt auch hierin
kein Argument gegen die Charakterisierung des
normalen Wehrbeitrags von § 1 Satz 1 als einer
wahren Vermögensabgabe; denn primär wird er
eben nur vom Vermögen entnommen, ohne Rück-
sicht darauf, ob daneben noch ein Einkommen vor-
handen ist, und in einer Höhe, die ihn als eine Be-
lastung des Kapitaleinkommens als solchen nicht
mehr erscheinen läßt.
Der Entwurf eines Gesetzes über das
Erbrecht des Staates.
Von Justizrat Dr. Ernst Heinitz, Berlin.
Für die unbefangene Beurteilung des Gesetz-
entwurfs über das Erbrecht des Staates ist der Um-
stand, daß dieser Entwurf ausschließlich finanz-
politischen Erwägungen seine Entstehung verdankt,
anscheinend nicht günstig. Dieselben Parteien, welche
sich im Jahre 1909 der Erbanfallsteuer für Ehegatten
und Abkömmlinge widersetzt haben, bekämpfen
grundsätzlich jede Einschränkung des gesetzlichen
Erbrechts der Blutsverwandten. Weder in der Be-
gründung des jetzigen Entwurfs, der an die Reichs-
tagsvorlage von 1908 anknüpft, noch in der kürzlich
beendigten ersten Lesung der Deckungsvorlagen
sind neue Gesichtspunkte aufgetaucht, und vielleicht
wird das Schicksal des Entwurfs davon abhängen,
ob es gelingt, für die 15 Millionen M., die nach der
Ertragsberechnung den finanziellen Erfolg des Ge-
setzes für das Reich bedeuten sollen, anderweite
Deckung zu finden oder nicht.
Seitdem Bamberg er in zahlreichen kleineren
Aufsätzen und in seiner Schrift „Erbrechtsreform“
(Berlin 1908) durch die Begrenzung des gesetzlichen
Verwandtenerbrechts auf Abkömmlinge und Eltern
den bedrängten Reichsfinanzen 1/2 Milliarde M.
jährlich zuführen zu können glaubte, ist die Dis-
kussion über die Frage, ob und in welchem Umfange
die Beschränkung des gesetzlichen Erbrechts der
Blutsverwandten und die Erweiterung des gesetz-
lichen Erbrechts des Fiskus gerechtfertigt und wie
der finanzielle Erfolg für das Reich zu veranschlagen
sei, nicht verstummt.1) Die Gründe, die für und
wider vorgebracht werden können, dürften erschöpft
sein. Die folgende Erörterung soll sich daher auf
eine kritische Darstellung des Entwurfs vom März 1913
nach seinem wesentlichen Inhalte beschränken; die
grundsätzlichen Fragen werden hierbei nur insoweit
berührt werden, als dies im Hinblick auf die be-
sondere Gestaltung des Entwurfs unvermeidlich ist.
Der Entwurf besteht aus zwei Teilen. Die §§ 1
bis 6 regeln das gesetzliche Erbrecht des Staates,
seine Voraussetzungen, seine Feststellung und seinen
Umfang. Sie sind somit ausschließlich bürgerlich-
rechtlichen Inhalts, während die §§ 8—18 die Ver-
waltung und Verwertung der dem Fiskus ange-
fallenen Erbschaften regeln, also dem öffentlichen
Rechte angehören. Daneben enthalten die §§ 7 und
19 Bestimmungen über das Verhältnis gewisser
Vorschriften des Entwurfs zum Erbschaftssteuergesetz
und zum EG. z. BGB.
Der materielle Eingriff des Entwurfs in die Vor-
schriften des BGB. über die gesetzliche Verwandten-
erbfolge kommt in der dem Entwürfe gegebenen
Gestalt formell nicht zum Ausdruck. Soweit das
gesetzliche Erbrecht der Verwandten tatsächlich be-
seitigt werden soll, werden trotzdem die Vorschriften
des BGB., nämlich § 1926, sofern er das Erbrecht
der Abkömmlinge der Großeltern zum Gegen-
stände hat, und die §§ 1928, 1929, weder auf-
gehoben noch abgeändert; vielmehr läßt der Ent-
wurf, soweit er die Verwandtenerbfolge zugunsten
des Fiskus beseitigt, den Fiskus als gesetzlichen
Erben an die Stelle der nach den Vorschriften
des BGB. zur gesetzlichen Erbfolge berufenen
Verwandten treten. Ich vermag mich mit dieser
Gesetzestechnik, die von derjenigen des früheren
Entwurfs abweicht, schlechterdings nicht zu be-
freunden und würde es für dringend wünschenswert
halten, daß die §§ 1 — 6 des Entwurfs die ihrem
Inhalt entsprechende Form einer Novelle zum BGB.
erhalten und an die Stelle der aufgehobenen oder
abgeänderten Vorschriften des BGB. treten. Damit
würden auch einige sachliche Aenderungen des Ent-
wurfs verbunden sein, die in gleicher Weise er-
forderlich sind. Im § 1 Abs. 1 S. 2 wiederholt der
Entwurf überflüssigerweise die Vorschrift des § 1936
*) Vgl. Bamberger 1907 S. 632: Pappenheim 1908 S. 509;.
Heinsheimer 1909 S. 114 d. Bl.