Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 8.

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Steuern handelte, war die Abneigung unseres Volkes
im Anfang des vorigen Jahrhunderts kaum eine ge-
ringere wie heutzutage; man lesnnur bei Treitschke
und anderen die Geschichte der Steuerreformen Fried-
rich Wilhelm III., obwohl diese noch dazu mit aus-
geführten und verheißenen Erweiterungen der poli-
tischen Rechte verknüpft waren.
Von den in der Presse vielfach geforderten und
angekündigten Kautelen gegen eine Wieder-
holung der Abgabe enthält die Vorlage, abgesehen
von der schon erwähnten Bemerkung in der Be-
gründung, nichts. Das ist auch kein Mangel; denn
wirkliche Garantien lassen sich, wie ich im „Tag“
ausgeführt habe, gar nicht schaßen. Ob man mit
der Bezeichnung „Wehrbeitrag“ auf den ein-
maligen Charakter hin weisen wollte, wie z. B. die
„Kreuzzeitung“ vermutet, ist nicht ersichtlich, aber
da er daneben ausdrücklich noch als „einmaliger
außerordentlicher * bezeichnet wird, kaum anzunehmen.
Es wäre das auch verfehlt. Denn die Finanzwissen-
schaft erblickt das Charakteristikum des „Beitrags“
im Unterschied von der „Steuer“ durchaus nicht
in der Einmaligkeit (vgl. z. B. Wagner, Finanz-
wissenschaft Bd. II § 74, Neumann, Die Natur
und das öffentliche Interesse Kap. 7). Um so weniger
war es dann aber nötig, den vieldeutigen Begriff
des „Beitrags“ hier anzuwenden statt des eindeutigen
und hier zutreffenden der „Steuer“.
Der Wehrbeitrag ist nichts anderes als eine
Personalsteuer nach dem Maßstabe des Netto Ver-
mögens unter subsidiärer Mitverwendung des Ein-
kommens als Maßstabes in der Weise, daß Personen
mit einem Gesamteinkommen von mindestens
50000 M. der Steuer auch nach dem Maßstabe
des Einkommens unterliegen, wenn und insoweit
ihr steuerbares Vermögen hinter dem 40 fachen ihres
Einkommens zurückbleibt. Denn bei ihnen muß der
Wehrbeitrag von 1/2 v. H. des Vermögens ohne
Rücksicht auf Vorhandensein und Höhe des Ver-
mögens mindestens 2 v. H. ihres Einkommens be-
tragen. Der Wehrbeitrag ist also insoweit seinem
Wesen nach von anderen Personalsteuern nicht ver-
schieden, insbesondere nicht von der preußischen
Ergänzungssteuer. Trotzdem ist die Struktur des
Entwurfs insofern eine der anderer Personalsteuer-
gesetze entgegengesetzte, als in ihm zuerst die ob-
jektive und dann die subjektive Steuerpflicht ge-
regelt wird.
Materiell sind die Vorschriften über die objektive
Steuerpflicht dem preußischen Ergänzungssteuer-
gesetze durchaus nachgebildet. Das gilt insbesondere
auch von dem Ausschluß des nicht Zubehör eines
Grundstücks oder Bestandteil eines Betriebsvermögens
bildenden beweglichen Gebrauchsvermögens
(Möbel, Hausrat usw.) von der Besteuerung (§ 8).
Allerdings kann man hierfür bei dem Wehrbeitrag
nicht, wie bei der Ergänzungssteuer, ins Gefecht
führen, daß derartige Vermöge ns Objekte nicht als
Quellen von fundiertem Einkommen anzusehen sind;
denn das ist bei jenem nicht wie bei dieser der
leitende Gesichtspunkt der Besteuerung. Wohl aber

würde die Einbeziehung solcher Objekte in die
Steuerpflicht der Durchführung des Wehrbeitrags
Schwierigkeiten bereiten, die außer jedem Verhältnis
zu der Einmaligkeit der Abgabe stehen würden.
Eine grundsätzliche Abweichung von der preußischen
Ergänzungssteuer bedeutet es hingegen, daß noch
nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital- und
Rentenversicherungen von dem Wehrbeitragvöllig
freibleiben sollen (§ 7). Da der letztere eine ein-
malige Steuer von immerhin solcher Höhe ist, daß
nicht ohne weiteres, namentlich auch nicht, wenn
von dem Einkommen ohnehin Prämien für derartige
Versicherungen abgehen, anzunehmen ist, sie werde
aus dem Einkommen ohne Inanspruchnahme des
Kapitals bestritten werden können, so rechtfertigt
sich schon hieraus jene weitergehende Befreiung.
Bedenklicher ist es, daß für die Frage, welche
Schulden 'Und Lasten abzugsfähig sind, anscheinend
ein anderer Begriff der „wirtschaftlichen Be-
ziehung“ zu dem beitragspflichtigen Vermögensteil
(§ 10) entscheidend sein soll, als nach dem preußi-
schen Einkommen- und Ergänzungssteuergesetz. In
der Begründung heißt es nämlich, „eine wirtschaft-
liche Beziehung zu dem in Grundstücken bestehenden
Vermögen“ sei „namentlich dann gegeben, wenn
die betr. Grundstücke für die Schulden und Lasten
dinglich haften". Nach den preußischen Gesetzen
v. 19. Juni 1906 soll im Gegensatz zu dem früheren
Rechtszustand die Eintragung im Grundbuch gerade
nicht entscheidend sein, und die Motive zu diesen
Gesetzen begründeten dies damit, daß sich sonst
außerhalb Preußens wohnende Personen der durch
ihren preußischen Grundbesitz begründeten Steuer-
pflicht leicht dadurch entziehen könnten, daß sie die
aus ihren außerpreußischen Beziehungen herrühren-
den Schulden in das preußische Grundbuch eintragen
ließen. Weshalb man diesen sehr berechtigten
Gesichtspunkt und die Erfahrungen der preußischen
Praxis bei dem Wehrbeitrag nicht glaubt beachten
zu sollen, ist in der Begründung nicht mit
einem Worte auch nur angedeutet. Die Versuchung
zu Manipulationen der angedeuteten Art liegt bei
einer einmaligen Steuer in solcher Hohe wie der
des Wehrbeitrags viel näher als bei wiederkehrenden
Steuern von ungleich geringerer Höhe, und bis zu
dem Stichtage, 31. Dez. 1913, ist noch reichlich
Zeit zu solchen Maßnahmen, die man, wenn sie
wirtschaftlich hinderlich sind, schon im nächsten
Jahre wieder rückgängig machen kann.
Alle Bedenken, die gegen die Regelung der
objektiven Beitragspflicht erhoben werden können,
wiegen aber m. E. leicht dagegen, daß auch hier
die Bewertung des land- und forstwirtschaft-
lichen Grundbesitzes nicht, wie die alles übrigen
Vermögens, nach dem gemeinen, sondern nach dem
durch den fünf- und zwanzigfachen Normalreinertrag
dargestellten Ertragswerte erfolgen soll (§ 17). Wie
ich darüber bei der Erbschafts- und namentlich bei
der preußischen Ergänzungssteuer denke, habe ich
wiederholt dargelegt, am ausführlichsten in der
rNeuordnung der direkten Staatssteuer in Preußen“

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