13.1.4.
Das neue preußische Wassergesetz
(JR. Bitta, M. d. A.)
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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 7.
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sini verhängnisvolle Verzögerungen nicht ausgeschlossen.
Denn die Genehmigungsbehörde würde die Pflicht haben,
den Antrag dem Gesetze gemäß auf ortsübliche Art mit
der vorgeschriebenen Frist öffentlich bekannt zu machen,
tun festzustellen, ob Einspruch erhoben wird, und alsdann
zu erwägen und zu entscheiden, ob ein solcher begründet
ist oder nicht. Abgesehen davon, daß die Veröffentlichung
der beabsichtigten Veranstaltung, z. B. mit Wohnräumen
versehener Befestigungs- und Verteidigungswerke, das
Staats wohl gefährden kann und deshalb die Geheimhaltung
solcher Anlagen notwendig, vielleicht auch anderweit vor-
geschrieben ist, könnte bis zur Beschlußfassung auf den
Ansiedlungsantrag und bis zu dessen Erledigung in einem
daran vielleicht sich anschließenden Verwaltungsstreitver-
fahren leicht so lange Zeit vergehen, daß die Errichtung des
Wohnhauses nicht mit der Schleunigkeit möglich ist, welche
das Staatswohl erheischt; man denke nur an eine drohende
Kriegsgefahr und an Werke der soeben bezeichnten Art.
Daß zu staatlichen Bauten keine Ansiedlungsgenehmigung
notwendig ist, gilt, mag es sich um Hoheitsrechte des
Preußischen Staates oder um solche des Deutschen Reichs
handeln, ferner gleichviel, ob das Militärhoheitsrecht oder
ein anderes Hoheitsrecht in Betracht kommt. Aus der
Natur des Hoheitsrechts folgt, daß auch bereits unter der
Herrschaft des Gesetzes v. 3. Jan. 1845 (GS. S. 25)
Wohnhäuser der in Rede stehenden Art keiner Ansiedlungs-
genehmigung bedurften; dasselbe war der Fall während
der Geltungszeit des Gesetzes v. 25. Aug. 1875 (GS. S. 405)
und ist nunmehr bestehendes Recht nach dem Gesetze
v. 10. Aug. 1904«.
Diese Gründe sind, wenngleich sie nur von
einem einzelnen preußischen Gesetz ausgehen, doch
ganz abgesehen davon, daß sie schon dafür nicht
selten anderweit zutreffen — z. B. bei Kasernen, bei
Wohnhäusern auf Truppenübungsplätzen und Schieß-
ständen, bei Gefängnissen und bei Wohnräumen für mit
landwirtschaftlichen Meliorationen beschäftigte Ge-
fangene — von größerer Tragweite. Sie treffen ent-
sprechend bei manchen anderenGesetzen,einschließlich
von Reichsgesetzen, zu und werden auch nicht schon
dadurch ausgeschlossen, daß nicht ein mehr oder
weniger allgemeines Gesetz, sondern sonstiges ob-
jektives Recht und selbst bloßes örtliches Recht (eine
Polizeiverordnung, ein Ortsstatut usw.) in Frage
kommt, nur daß hierbei leichter die Absicht eines
Eingreifens und demgemäß auch das Vorhandensein
eines Eingriffs in ein Staatshoheitsrecht zu verneinen
sein wird. Als Fälle, für die bereits Zweifel hervor-
getreten sind und jene Gründe zu beachten sein
werden, seien genannt aus dem Reichsrechte die An-
wendbarkeit der Vorschriften über die Genehmigungs-
pflicht von Anlagen des Staates, die gewerbliche
und deshalb fiskalische nicht sind, aber an sich unter
den § 16 der Gewerbeordnung fallen, weil dieser
auch nicht gewerbliche Anlagen betrifft, und die der
Arbeiterschutzbestimmungen in nichtfiskalischen, son-
dern staatlichen Betrieben, ferner aus dem preußi-
schen Rechte noch diejenige von Bauordnungen
und des Gesetzes gegen die Verunstaltung von Ort-
schaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden
v. 15. Juli 1907 (GS. S. 260).
Schwierigkeiten werden nicht selten insofern
hervortreten, als es sich darum handelt, ob man es
mit einem fiskalischen Bau, Unternehmen usw. zu
tun hat oder in dem bezeichnten Sinne mit einem
staatlichen. Das steht aber dem maßgebenden be-
sonderen Grundsatz als solchem nicht entgegen, ist
vielmehr eine Folge der Mangelhaftigkeit jeder all-
gemeinen begrifflichen Scheidung zwischen der Eigen-
schaft des Staates als Fiskus und nicht als Fiskus.
Aehnlich wie mit dem Eingriff in eine der
anderen Staatsgewalten verhält es sich noch mit dem
in die innere kirchliche Verwaltung, die Selbstver-
waltung der Gemeinden usw. und die Autonomie.
Das neue preußische Wassergesetz.
Von Justizrat Bitta, Mitglied des Abgeordnetenhauses,
Breslau.
Das neue preußische Wassergesetz ist nunmehr
von beiden Häusern des Landtages verabschiedet,
nachdem der erste Entwurf dazu bereits i. J. 1893
erschienen und der Landtag zum Zwecke gründ-
licher Durchberatung des umfangreichen Gesetz-
gebungswerks über den Sommer 1912 vertagt war,
was seit dem Bestehen des Landtags zum ersten
Mal geschehen ist. Es geziemt sich daher wohl, einen
kurzen Ueberblick auf das zu werfen, was uns das
neue Gesetz bringt.
I. Zunächst die langersehnte Vereinheit-
lichung des preußischen Rechts. Im § 399 werden
nicht weniger als 79 verschiedene Gesetze aufgehoben.
Aufrechterhalten bleiben nur diejenigen Gesetze,
welche, wie z. B. die Quellenschutzgesetze, auf
anderem gesetzgeberischen Grunde beruhen, oder
wie die in dem § 395 aufgeführten Gesetze Sonder-
gesetze sind, oder Gegenstände betreffen, welche,
wie die in den §§ 382, 389, 396 und 397 benannten
von dem Wassergesetz unberührt bleiben.
Dabei hat das Wassergesetz es vermieden, in
die bestehenden Verhältnisse, soweit sie sich be-
währt haben, mit rauher Hand einzugreifen. Es
sind deshalb bestehen geblieben das auf dem bis-
herigen Recht beruhende Eigentum an Wasserläufen,
ferner die bisherige Unterhaltungslast, soweit sie
sich bewährt hat, das gemeine Recht bezügl. der
Regelung des wild ablaufenden Wassers, die Siegener
und Nassauer Wiesenordnung sowie die in den
Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein be-
stehenden Deich- und Sielrechte. Auch die be-
stehenden Rechte sind unter den Voraussetzungen
des § 379 aufrechterhalten, soweit sie auf einem
besonderen Titel beruhen. Es ist nur die Be-
schränkung beigefügt, daß eine Verunreinigung des
Wassers, die über das Gemeinübliche hinausgeht,
unzulässig und daß auch die bestehenden Wasser-
leitungsanlagen entsprechend der neuen Bestimmung
in dem § 200 verpflichtet sein sollen, die zur Ver-
hütung oder Ausgleichung von Nachteilen geeigneten
Einrichtungen zu treffen, evtl. Schadenersatz zu leisten,
soweit die Billigkeit nach den Umständen eine Ent-
schädigung erfordert, und der Unternehmer ohne Ge-
fährdung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit
des Unternehmens zur Entschädigung imstande ist.
II. Ein weiteres Endziel des neuen Gesetzes ist
die Herbeiführung möglichster Rechtssicherheit.
Diesem Ziele dient: