Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

12.4. Vermischtes

12.4.1. An unsere Abonnenten

12.4.2. 25 jähriges Bestehen des Kriminalistischen Seminars der Universität Berlin

12.4.3. Eine gesetzgeberische Reminiszenz

39o

XVHI. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 6.

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schon drei Jahre an. Im Jahre 1908 waren es 163 933, i. J. 1909
154609, i. J. 1910 147 270 und i. J. 1911, wie schon bemerkt,
144 810, so daß in den drei Jahren eine Abnahme um 19 123
oder 11,7 % stattgefunden hat. Es ist dies in der Zeit,
in der das Streben nach möglichster Einschränkung der
Untersuchungshaft allgemein ist, erfreulich. Allerdings
befinden sich unter diesen Untersuchungsgefangenen —
und das macht auch die auf den ersten Blick überraschend
hohe Gesamtzahl erklärlich — zahlreiche Bettler, Land-
streicher, Dirnen usw., die nach ihrer Ergreifung als
Untersuchungsgefangene gezählt werden müssen, bis ihre
Personalien und Vorstrafen festgestellt sind und ihre Ab-
urteilung erfolgen kann. Bei ihnen spielen Arbeitsgelegen-
heit, Witterung und ander? Faktoren eine sehr einflußreiche
Rolle, so daß das Auf- und Abfluten in der Zahl der
Untersuchungsgefangenen hierauf wesentlich mit zurück-
zuführen sein wird. Die Zahl dei weiblichen Unter-
suchungsgefangenen, die von 1901 bis 1907 von 16 075
auf 11085 zurückgegangen war, steigt seitdem langsam;
sie betrug i. J. 1910 11 578 und i. J. 1911 11 783. Ob
hierbei die stärkere Beteiligung des weiblichen Geschlechts
an dem Erwerbsleben und damit auch an dessen Fähr-
lichkeiten maßgebend ist oder ob die Steigerung auf ein
Anwachsen des weiblichen Vagabundentums und des Dirnen-
tums zurückzuführen ist, läßt sich nicht ohne weiteres ent-
scheiden. Man möchte sich aber beinahe für die letztere
Alternative aussprechen, da, wie schon bemerkt, auch die
eine geschärfte Haft abbüßenden weiblichen Personen eine
Zunahme zeigen. Erfreulich ist die starke Abnahme
der Zahl der jugendlichen Strafgefangenen, deren
Durchschnittszahl seit 1899 von 1562 auf 386, im letzten
Jahre um 34, zurückgegangen ist. Es ist dies hauptsäch-
lich auf die fortgesetzte Steigerung der Bewilligung von
Aussetzungen der Strafvollstreckung zurückzuführen. Wäh-
rend i. J. 1899 4168 Personen, darunter 3374 jugend-
lichen, Strafaussetzung bewilligt wurde, war dies 1911 bei
18 668 Personen, darunter 12 931 jugendlichen, der Fall.

Vermischtes.
An unsere Abonnenten. Dieser Nummei liegt für
unsere Abonnenten unentgeltlich bei: die von Land-
gerichtsrat Ho ff mann bearbeitete 30. Spruchsammlung
der Deutschen Juristen-Zeitung betr. Strafrecht,
Strafprozeß-, Militär straf recht, Reichsstraf-
nebengesetze und Landesstrafrecht für das Jahr 1912.
Schriftleitung — Verlag.

Das Kriminalistische Seminar der Universität
Berlin — unter Studenten kurz: das Liszt’sche Seminar —
blickt am 1. April 1913 auf ein 25 jähriges Bestehen
zurück. 1888 von Geh. JR. Prof. Dr. v. Liszt mit Zu-
stimmung des preußischen Kultusministeriums in Marburg
ins Leben gerufen, folgte es seinem Leiter 1889 nach
Halle a. S. und 1899 nach Berlin. Mit ihm wurde zum
ersten und leider bisher letzten Male die Idee des juristischen
Fachseminars, verbunden mit einer Fachpräsenzbibliothek,
verwirklicht. Der damals bestehende Plan, an den ver-
schiedenen preußischen Universitäten andere juristische Fach-
seminare in bewußtem Gegensatz zu den altgewohnten all-
gemeinen Seminaren zu errichten, wurde später vom Ministe-
rium wieder fallen gelassen, obwohl gerade die Erfolge des
Kriminalistischen Seminars zu weiteren Versuchen wohl
hätten anspornen können. Denn seinem Zwecke, »der wissen-
schaftlichen Ausbildung seiner Mitglieder und vor allem
künftiger Lehrer des Strafrechts in den verschiedenen
Zweigen der gesamten Strafrechtswissenschaft“ zu dienen,

ist es in vollstem Maße gerecht geworden. Seine Bedeutung
und Wirkung reicht heute weit über die Grenzen des Deutschen
Reiches hinaus, Theoretiker und Praktiker aus allen Ländern
haben in seinen Räumen gearbeitet und nicht nur die sog.
Modernen unter den kriminalist. Dozenten haben Anregung
und Belehrung in den wissenschaftlichen Uebungen und in
der Bibliothek des Instituts gesucht und gefunden.
Diese umfassenden Wirkungen waren aber nur mög-
lich, weil von Anfang an die Erziehung zur Selbständigkeit
unter Verpönung öden Autoritätsglaubens und bloßen Nach-
tretens von Schulauffassungen als leitendes Prinzip der Lehr-
methode festgehalten wurde. So wird heute ein großer Teil
der in- und ausländischen Kriminalisten, so werden An-
hänger der verschiedensten Richtungen mit Dankbarkeit der
im Seminar verbrachten Zeit sich erinnern.
Aus kleinen Anfängen hat sich das Seminar zu einer
imponierenden Größe entwickelt. Den vier Teilnehmern
an den »wissenschaftlichen Uebungen“ des S.-S. 1888 stehen
in den letzten Semestern 50—80 Seminarmitglieder gegen-
über. Der Bestand der Bibliothek ist gleichzeitig von 5000
auf etwa 22000 Bände angewachsen. Im S.-S. 1912 und im
W.-S. 1912/1913 wurde die Bibliothek von über 200 Herren
benutzt. Welche Hilfe diese Bücherei mit ihrem reich-
haltigen Bestände an ausländischer Literatur der „Ver-
gleichenden Darstellung des Deutschen und Ausl. Straf-
rechts“ geleistet hat, davon wissen so manche der Mitarbeiter
an jenem großen Werke zu erzählen.
Die Rechtslage des Kriminalistischen Seminars konnte
bis in die neueste Zeit insofern als ungeklärt gelten, als
der größere Teil der Bibliothek Privateigentum des Prof,
v. Liszt, der übrige Bücherbestand Staatseigentum war. Durch
die hochherzige Schenkung der gesamten Privatbibliothek
an die Universität Berlin ist die notwendige Klärung nun-
mehr erreicht, die seit langem erwünschte Erweiterung der
Seminarräume ist außerdem seitens des Staates 1912 durch-
geführt worden. So fällt eine fundamentale Aenderung im
rechtlichen Status des Seminars mit dessen 25jährigem
Jubiläum zusammen, eine Aenderung, die zweierlei in all
denen wachruft, welche Gelegenheit hatten, die Bedeutung
des Instituts an sich selbst oder an Dritten zu erkennen:
einmal das Gefühl herzlichen Dankes gegenüber dem Gründer
und Leiter des Seminars, Franz v. Liszt, für alles, was
er diesem und seinen Mitgliedern gewesen, für die mannig-
fachen materiellen Opfer, die er jahrzehntelang zum Wohle
des Seminars gebracht, für das Interesse, das er für dessen
Mitglieder stets empfunden, für alle Treue und Freund-
schaft, die er ihnen gehalten, — dann aber den Wunsch,
daß diese einzigartige kriminalistische Institution auch für
alle Zukunft im Sinns und Geiste ihres Gründers als Fach-,
Institut erhalten bleiben möge zum Wohle der gegenwärtigen
und zukünftigen Generationen von Kriminalisten.
Professor Dr. Delaquis, Berlin.

Eine gesetzgeberische Reminiszenz. Im An-
schluß an den Aufsatz des RGR. Wulf er t „zum 50. Ge-
burtstage des sächsischen BGB.“ S. 26, 1913 d. Bl., mag
daran nachträglich erinnert werden, daß ungefähr zur
selben Zeit, da die Veröffentlichung jenes Gesetzbuches
erfolgte, auch die Arbeiten an einer weiteren, für das ganze
damalige Deutschland geplanten Rechtsordnung begannen,
an dem „Entwurf eines allgemeinen deutschen
Gesetzes über Schuldverhältnisse“. In Anlehnung
an einen am 17. Dez. 1859 gefaßten Beschluß des Bundes-
rats verfügte dieser am 6. Februar 1862 u. a. weiter:
„3. Die Niedersetzung einer Kommission für Bearbeitung
des Obligationenrechts mit dem Sitze in Dresden in Aus-
sicht zu nehmen“, und durch Bundesbeschluß v. 13. Nov.

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