12.3.
Justizstatistik
Berichterstatter: Oberlandesgerichtspräsident Lindenberg, Posen
12.3.1.
Zunahme der Revisionen beim Reichsgericht
12.3.2.
Statistik der Justizgefängnisse in Preußen
393
XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 6.
394
in der besonderen Art der Arbeit. Sie läßt sich
nicht auf eine feste Zeit festlegen. Dazu kommt das
ideale Moment, das sich in der Bezeichnung als
„Schwester“ ausprägt. Das Gewissen des Volks
muß erst diesen überkommenen Gedanken des Selbst-
opferns der Pflegerin überwinden. Aber notwendig
wird diese Fürsorge sein, ehe es zu spät ist.
Der Verband der Rechtsauskunftsstellen
hat bei den gemeinnützigen Auskunftsstellen eine
Umfrage über das Verhältnis zu den Rechtsanwälten
veranstaltet. In der letzten Vorstandssitzung wurde
der Bericht erörtert. Das Ergebnis ist ein durch-
weg befriedigendes. Die vom Geschäftsführer aus-
gearbeitete Denkschrift soll dem Vorstand des
deutschen Anwalts Vereins übergeben werden. Man
sieht, daß die Rechtsanwaltschaft den Auskunfts-
stellen nicht nur nicht widerstrebt. Sie hat schon
vorher in beschränktem Maße die unentgeltliche
Auskunft erteilt. Sie ist bereit, auch die organisierte
Auskunft zu unterstützen.
Der Deutsche Reichstag hatte im Mai 1912
eine eingehende Resolution über die Beseitigung der
Zweikämpfe gefaßt. Die Antwort des Bundes-
rats ist ihm im Januar d. J. zugegangen. Etwas
Greifbares bringt sie nicht. Sie verweist auf die
Reform des Strafrechts und die dabei zu prüfende
Frage, „inwieweit durch anderweite Behandlung der
Beleidigung vorgebeugt werden kann.“ Es ist aber
ein Irrtum anzunehmen, daß eine Wandlung der
Ansichten über die Wahrung der Ehre durch Ver-
schärfung der Beleidigungsstrafen herbeigeführt
werden kann. Hier kann nur der erzieherische Ein-
fluß der führenden Kreise helfen. Daraus gingen
die Vorschläge des Reichstages für das Offiziers-
duell hervor. Deshalb ist auch die Ablehnung dieser
Anregungen in dem Bescheide des Bundesrats
symptomatisch.
Rechtsanwalt Dr. Hachenburg, Mannheim.
Justizstatistik.
Berichterstatter: Oberlandesgerichtspräsident
Lindenberg, Posen.
Zunahme der Revisionen beim Reichsgericht.
Der Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Lisco hat
bei Beratung des Justizetats im Reichstage am 8. Februar d. J.
über die Geschäftstätigkeit des Reichsgerichts einige Zahlen
mitgeteilt, aus denen hervorgeht, daß die Zahl der neu
eingegangenen Revisionen, die infolge der auf eine
Entlastung des höchsten deutschen Gerichtshofes gerichteten
Gesetzgebung wesentlich abgenommen hatte, im vergangenen
Jahre wieder eine nicht unerhebliche Zunahme
gezeigt hat. Im Jahre 1909 betrug die Zahl der neuen
Revisionen in Zivilsachen 4595. Im Jahre 1910, in
dem das Gesetz betr. die Erhöhung der Revisionssumme
erst wenig Wirkung ausüben konnte, gingen die Revisionen
auf 4344 herunter, während sie, wenn das Gesetz nicht
erlassen wäre, bei der durch das Anwachsen der Bevölke-
rung bedingten normalen Zunahme der Sachen auf etwa
4800 gestiegen sein würde. Die volle Wirkung des
Gesetzes trat erst im Jahre 1911 ein; es wurden in diesem
Jahre nur 3531 Revisionen eingelegt, so daß seit 1909 ein
Rückgang um 1064 Sachen oder 23% stattgefunden hat.
Das Jahr 1912 hat nun 3906 neue Revisionen gebracht;
es hat also im letzten Jahre eine Zunahme um 375 Sachen
oder 10,6 % stattgefunden. Nach den Erfahrungen, die
man in den letzten 10 bis 15 Jahren gemacht hat, nimmt
der Staatssekretär des Reichs-Justizamts an, daß im Jahre
1913 die Revisionen sich auf 4200 belaufen werden, im
Jahre 1914 auf etwa 4400. Bei dieser Zunahme sei es
unausbleiblich, daß wieder an irgendeine Entlastung werde
gedacht werden müssen, sei es nun durch die im Jahre
1910 in Aussicht gestellte allgemeine Revision der ZPO.
oder durch die Erhöhung der Zahl der Reichsgerichtsräte
bei den Zivilsenaten. Bei den Strafsenaten hat die im
Jahre 1905 beschlossene sogenannte lex Hagemann es
bewirkt, daß die Zahl der Revisionen vom Jahre 1904 bis
1907 von 6756 auf 5507 zurückgegangen ist; im Jahre
1908 waren es schon wieder 5708, im Jahre 1909 5944,
i. J. 1910 6158, i. J. 1911 6368 und i. J. 1912 6807.
Wir sind also jetzt bereits wieder zu einer höheren Ziffer
angelangt, als wir sie im Jahre 1904 beobachten konnten.
Der Staatssekretär betont, daß man auch in den Straf-
senaten für die nächsten Jahre wieder mit einer erheblichen
Zunahme rechnen könnte. Nach allem wird die Frage
einer Entlastung des Reichsgerichts bald abermals in den
Vordergrund treten.
Statistik der Justizgefängnisse in Preußen.
Aus der für das Rechnungsjahr 1911 vorliegenden amt-
lichen Statistik über die Gefängnisse der Justizverwaltung
in Preußen ergibt sich, daß der Gefangenenbestand
eine weitere Abnahme erfahren hat. Er betrug im
ganzen Jahre nur 427 573 Personen gegen 438 096 im
Rechnungsjahr 1910, 459 429 i. J. 1909 und 476 667 i. J.
1908, so daß in drei Jahren eine Abnahme um 49 094 oder
10,3 % erfolgt ist. Im letzten Jahre war allerdings der
Rückgang mit 10 523 nur halb so groß wie im voraut-
gegangenen, so daß die Möglichkeit vorliegt, daß bald
wieder eine Zunahme eintritt, wie auch in früheren Jahren
mehrfach ein Auf- und Absteigen der Ziffer gewechselt
hat. Hierbei ist zu bemerken, daß in Preußen der Justiz-
verwaltung nur ein Teil der Gefängnisse untersteht,
während alle zur Vollstreckung von Zuchthausstrafen be-
stimmten Strafanstalten und eine Anzahl größerer Gefäng-
nisse sowie die kleinen Kantonalgefängnisse in der Rhein-
provinz zur Verwaltung des Ministeriums des Innern
gehören. Der Zahl nach überwiegen über die dem
Ministerium des Innern unterstehenden Gefängnisse (98)
die dem Justizministerium unterstehenden (erheblich,
denn ihre Zahl betrug am 31. März 1912 1064,
2 mehr als ein Jahr zuvor. Darunter befanden sich aller-
dings 906 (i. J. 1911 901) Anstalten, die zur Unterbrin-
gung von weniger als 50 Gefangenen eingerichtet waren
und nur 21 (23), die eine Belegschaft von 300 und mehr
Gefangenen hatten. Unter der Gesamtzahl der Gefangenen
in den Justizgefängnissen befanden sich 178 140 (i. J. 1911
181 527), die eine Gefängnisstrafe verbüßten, 36 203
(36 965), die einfache Haft, und 65 698 (69 521) die ge-
schärfte Haft verbüßten; ferner 2722 (2813) Zivilgefangene
und 144 810 (147 270) Untersuchungsgefangene. Die Zahl
der weiblichen Gefangenen, die in den Jahren von
1892 bis 1907 von 115 207 auf 62 127 zurückgegangen
war, schwankt seitdem; im letzten Jahre zeigt sie eine
nicht erhebliche Abnahme von 63 815 auf 63 346. Die
Beteiligung des weiblichen Geschlechts würde noch weit
geringer sein und mehr sinken, wenn nicht die eine ge-
schärfte Haft abbüßenden Dirnen, Bettlerinnen, obdachlosen
Weiber usw., ebenso wie die weiblichen Untersuchungs-
gefangenen in letzter Zeit eine eher steigende als ab-
nehmende Ziffer zeigten. Die Zahl der eine Gefängnis-
strafe verbüßenden weiblichen Personen sinkt fortgesetzt;
sie hat sich in den letzten 20 Jahren von 57180 auf
23 272 vermindert, während die der männlichen nur von
172 134 auf 154 868 zurückgegangen ist. Die allgemeine
Abnahme der Untersuchungsgefangenen hält nun