12.
Nummer 6. Berlin, den 15. März 1913
12.1.
Abhandlungen
12.1.1.
Die Beschlüsse der Strafrechtskommission
:
I. Lesung:
(RGR. Dr. Ebermayer)
Nummer 6.
Berlin, den 15. März 1913.
XVIII. Jahrgang.
Deutsche Juristen-Zeitung.
Begründet von LABAND — STENOLEIN — STAUB.
DR. P. LABAND,
Wirkl. Geh. Rat, Professor.
Herausgegeben von
DR. O. HAMM,
DR. ERNST HEINITZ,
Justizrat.
Wirkl. Geh. Rat, Oberlandesgerichtspräsident a. D.
Schriftleiter: DR. JUR. OTTO LIEBMANN. ^ Verlag: OTTO LIEBMANN, Berlin.
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Die Beschlüsse der Strafrechtskommission.
Mitgeteilt von deren stellvertretendem Vorsitzenden
Reichsgerichtsrat Dr. Ebermayer, Leipzig.
XIII. r)
In der Sitzung vom 16. Dez. begann die Kom-
mission mit der Beratung des 5. Buches des VE.,
enthaltend die Uebertretungen.
Landstreicherei und Bettel (§ 305 Z. 1
u. 2) sollen in Zukunft als Vergehen mit Gefängnis
bis zu 6 Monaten oder mit Haft bestraft werden,
wobei in beiden Fällen neben Gefängnis auf Unter-
bringung im Arbeitshaus erkannt werden kann. Im
Tatbestände der Landstreicberei wurden die Worte
„ohne Arbeit zu suchen“ ersetzt durch „aus Arbeits-
scheu“, um einer Umgebung des Gesetzes durch
den Nachweis scheinbarer Bemühung um Arbeit
vorzubeugen. Festgestellt wurde bei den Beratungen,
daß auch bei der zweiten Alternative — Umber-
treiben an einem Orte — Mittellosigkeit pp. Vor-
aussetzung der Strafbarkeit sei. Der Tatbestand des
Bettels blieb unverändert, die Worte „oder Kinder
unter 14 Jahren zum Betteln anleitet oder ausschickt“
wurden gestrichen, da, wenn es in diesen Fällen
zum Betteln gekommen ist, stets Anstiftung oder
Beihilfe vorliegen wird, also Teilnahmehandlungen,
die bei dem Vergehen des Bettels und bei der
Neuregelung der Stralbarkeit der Teilnahme strafbar
sind. Die Bestimmung über das Betteln in Notlage
blieb unverändert. Systematisch schieden Bettel und
Landstreicherei aus dem Abschnitt „Uebertretungen“
aus und wurden in den Abschnitt über Verbrechen
und Vergehen an geeigneter Stelle eingestellt.
Der Tatbestand von § 305 Z. 3 (Arbeitsscheu)
blieb unverändert, Strafe: Haft bis zu 3 Monaten,
Zulässigkeit der Unterbringung in einem Arbeitshaus,
Randbezeicbnung statt „Arbeitsscheu“ „Arbeits-
weigerung“. Von der im VE. vorgenommenen Aus-
dehnung der Bestrafung der Gewerbsunzucbt auf
männliche Personen wurde abgesehen, und dies
durch Einsetzung des Wortes „weibliche“ vor Person
1) Vgl. £"721, 895, 1022, 1353, 1517, 1911, 8. 299, 423, 653, 825,
1152, 1369, 1912, 8. 194, 1913 d. Bl.
zum Ausdruck gebracht; im übrigen blieb der Tat-
bestand von § 305 Z. 4 unverändert, Strafe: Haft,
daneben Zulässigkeit der Unterbringung in dnem
Arbeitsbaus, einer Erziehungsanstalt oder einem Asyl.
Die Zuwiderhandlung gegen Aufenthalts-
beschränkungen § 305 Z. 5 soll künftig als Ver-
gehen angesehen, mit Gefängnis bis zu 6 Monaten
bestraft und in den Abschnitt über Verbrechen und
Vergeben eingestellt werden. In besonders leichten
Fällen soll Absehen von Strafe zulässig sein. Der
Tatbestand wurde dahin erweitert, daß hinter Bundes-
staat die Worte „oder einem Schutzgebiet“ einge-
setzt wurden, um auch diejenigen Fälle zu treffen,
in denen jemand der Ausweisung aus einem Schutz-
gebiete zuwiderhandelt.
Auch die Verletzung der Unterhalts-
pflicht § 306 Z. 1 soll als Vergehen mit Gefäng-
nis bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe bis 1000 M. bestraft
werden. Hierbei wurde der Tatbestand dahin abge-
ändert, daß bestraft wird, wer böswillig (nicht nur
vorsätzlich) sich seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht
derart entzieht, daß der Unterhaltsberechtigte in Not
gerät oder — sei es auch ohne Vermittelung der Be-
hörde — aus fremden Mitteln unterstützt werden muß.
Unterbringung im Arbeitshaus soll zulässig sein.
In § 306 Z. 2 (Nichthindern gewisser
strafbarer Handlungen) wurde der Kreis der in
Frage kommenden Personen dahin abgeändert, daß
gesagt wurde: „Personen unter 18 Jahren, die unter
seiner Aufsicht stehen und zu seiner häuslichen
Gemeinschaft gehören“. Es wurde dabei davon
ausgegangen, daß es unmöglich sei, einem Dienst-
herrn die hier vorgesehene Verpflichtung auch gegen-
über erwachsenen Dienstboten aufzuerlegen. Unter
die strafbaren Handlungen wurde das Betteln
aufgenommen mit der Folge, daß die betreffende
Bestimmung in § 305 Z. 2 wegfallen konnte. Die
Strafe soll Haft sein oder Geldstrafe bis zu 500 M.
Der Tatbestand des § 306 Z. 3 (gefährliche
Trunkenheit) blieb im wesentlichen unverändert.
Strafe: Haft oder Geldstrafe bis zu 500 M. Neben
der Haft kann auf Wirtshausverbot, Unterbringung
in einer Trinkerheilanstalt oder in einem Arbeits-