11.1.5.
Das Recht auf ein eigenes Gewerbegericht
(RGR. Dr. Bewer)
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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-.Zeitung. 1913 Nr. 5.
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Aufhebung die Stiftung zum Erlöschen gebracht
werden könnte. Nimmt man das aber an, so dürfte
es nicht anders sein, wenn das Stiftungsgeschäft das
Erlöschen zwar nicht als eine von selbst eintretende
Folge an die Unmöglichkeit der Zweckerfüllung
knüpft, sondern für solchen Fall den Vorstand an-
weist oder ermächtigt, die Aufhebung zu be-
schließen.1) Da diese Anordnung des Stifters die
Befugnis der Behörde unberührt läßt, tritt sie nicht
in einen Gegensatz zum § 87 und muß daher nach
der hier vertretenen Auffassung seiner Bedeutung
vom Standpunkt des Reichsrechts aus zulässig sein.
Dagegen fragt es sich, ob dies auch nach preußi-
schem Recht der Fall ist, oder gleich allgemeiner
gefaßt, ob das Stiftungsgeschäft gegenüber dem Art. 4
dem Stiftungsvorstand (oder gar einem Dritten) ein
selbständiges Aufhebungsrecht verleihen kann.
Es liegt nahe, die zwingende Kraft des Art. 4 ähn-
lich wie die des § 87 zu begrenzen, nämlich dahin,
daß er zwar nicht ausgeschaltet werden, daß aber
das Stiftungsgeschäft daneben noch andere Auf-
hebungsmöglichkeiten vorsehen kann. M. E. wird
man gegen diese Auffassung kaum einen stichhaltigen
Grund anführen können. Durchschlagend würde es
allerdings sein, wenn Art. 4 im Interesse der Aufrecht-
erhaltung von Stiftungen gegen ungerechtfertigte Auf-
hebungsbeschlüsse des Vorstandes das Erfordernis
der staatlichen Genehmigung eingeführt hätte. Dann
würde er so zu verstehen sein, daß die Aufhebung
nur in der von ihm vorgeschriebenen Weise ge-
schehen könne. So liegt aber nach der mitgeteilten
Entstehungsgeschichte die Sache nicht. Vielmehr
sollte er die Beseitigung von Stiftungen erleichtern,
und zwar vornehmlich da, wo es sonst an einer Hand-
habe fehlen würde, die Beseitigungsmöglichkeit über-
haupt erst schaffen. Danach hat er seine Wirkung
namentlich dort zu entfalten, wo das Stiftungsgescf äft
schweigt. Hier erscheint es auch geboten, daß dem
Staat die Prüfung, ob die Maßregel gerechtfertigt ist,
und die Möglichkeit, sie durch Versagung seiner
Genehmigung zu verhindern, Vorbehalten bleiben.
Denn hier stützt sich die Aufhebung nicht auf den
Willen des Stifters. Hat dieser aber selbst ent-
sprechende Vorsorge im Stiftungsgeschäft getroffen,
so kann es dabei sein Bewenden behalten.2) Im
übrigen hat ja auch hier der Staat es in der Hand,
sich seine Mitwirkung auf alle Fälle zu sichern, in-
dem er von der Streichung derartiger Vorschriften
seine Genehmigung zu dem Stiftungsgeschäft ab-
hängig macht. — Anders wie bei der Aufhebung
liegt es natürlich bei der Aenderungsbefugnis. Da
die Stiftung zu ihrer Entstehung der staatlichen Ge-
nehmigung bedarf, so folgt daraus mit Notwendig-
keit, daß ihre Verfassung ohne Staatsgenehmigung
nicht abgeändert werden kann.
Recht zweifelhaft ist es, ob die nicht selten in
Verfassungsurkunden bestehender Stiftungen ent-
haltene und daher bei der Genehmigung nicht be-
*) Das gleiche würde von der Zweckumwandlung gelten.
2) Aus der oben bekäoaoften Kohlerschen Aus egung des Art. 4
folgt übrigens, daß audi er dem Stifier die Befugnis zuschreibt, die
Aufhebung des Stiftungsgeschäfcs zu regeln.
anstandete Bestimmung, daß außer Vorstandsbeschluß
und Staatsgenehmigung noch die Zustimmung eines
Dritten, etwa einer kirchlichen Instanz, zur Aufhebung
erforderlich ist, Gültigkeit hat. Mit der dar gelegten
Bedeutung des Art. 4 ist eine solche Bestimmung
schwerlich in Einklang zu bringen, da sie zu den
gesetzlichen Erfordernissen eine Erschwerung fügt.
Das verstößt aber gegen die zwingende Natur des
Artikels, so wie sie oben charakterisiert ist, wonach
die Aufhebung, wenn auch nicht nur, so doch
jedenfalls nach Maßgabe der gesetzlichen Vor-
schrift erfolgen kann.
Das Recht auf ein eigenes Gewerbegerieht.
Von Reichsgerichtsrat Dr. Be wer, Leipzig.
1. Da sowohl Einzelgemeinden als auch weitere
Kommunal verbände statutarisch für ihre Bezirke ein
Gewerbegericht errichten können, entsteht die Frage,
wem von beiden, der Gemeinde oder dem Kom-
munal verbände, das Errichtungsvorrecht zusteht. Die
Antwort gibt § 1 Abs. 4 Satz 3 des Gewerbegerichts-
gesetzes:
„Die Zuständigkeit eines solchen (für einen weiteren
KomVerband errichteten GewG.) ist ausgeschlossen, soweit
die Zuständigkeit eines für eine oder mehrere Gemeinden
des Beziiks bestehenden oder später errichteten GewG.
begründet ist.“
Diese Bestimmung stellt klar, daß bei Errich-
tung eines GewG. für einen weiteren KomVerband
die bestehenden kleinen GewG. unangetastet bleiben,
und daß, auch wenn ein GewG. des weiteren Kom.-
Verbandes für alle Ge weibszweige besteht, dennoch
ein GewG. für eine einzelne Gemeinde oder einen
einzelnen Gewerbszweig errichtet werden kann, wenn
dies später infolge der industriellen Entwicklung
wünschenswert wird.
Danach steht der Gemeinde vor dem Kom.-
Verbande das Vorrecht auf ein GewG. zu. Errichtet
also ein Kreisveiband ein KreisGewG., so umfaßt
dessen örtliche Zuständigkeit nicht auch denjenigen
Bezirksteil, für den bereits ein GemeindeGewG. be-
steht. Wenn aber eine Gemeinde ein Gemeinde-
GewG. errichtet, so wird dadurch die Zuständigkeit
eines bereits früher errichteten KreisGewG. für jenen
Gemeindebezirk nachträglich ausgeschlossen.
Das Ortsstatut über die Errichtung eines eigenen
GemeindeGewG. bedarf jedoch nach § 1 Abs. 2
Satz 2 der Genehmigung der höheren Verwaltungs-
behörde (in Preußen des Bezirksausschusses).
Wird die Genehmigung erteilt, so ist damit
das GemeindeGewG. wirksam errichtet. Aber da das
vordem erlassene Statut des KreisGewG. formell
noch weiterbesteht, so muß es aufgehoben werden,
soweit das GemeindeGewG. zuständig geworden ist.
Unterläßt der Kreisverband, diese Einschränkung des
Statuts herbeizuführen, so hat die Landes-Zentral-
behörde nach § 1 Abs. 2 GewGG. kraft des da-
selbst angezogenen § 142 GewO, das Kreisstatut,
soweit es mit dem Errichtungsvorrechte der Ge-
meinde aus § 1 Abs. 4 Satz 3 in Widerspruch steht,
aufzuheben.