10.3.
Justizstatistik
Berichterstatter: Oberlandesgerichtspräsident Lindenberg, Posen
10.3.1.
Neue Richterstellen in Preußen
10.3.2.
Das Eiserne Kreuz bei den preußischen Juristen
273
XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 4.
274
Reichstag keine anderen Mittel zur Verfügung
stehen. Man wird dies nicht beklagen. Die Diszi-
plinargewalt kann nicht über die Mauern des Hauses
hinausgehen. Man muß sich in solchen glücklicher-
weise seltenen Fällen mit dem moralischen Urteil
begnügen.1) Es ist einmütig gegen Herrn Wetterl e
ausgefallen.
Eigenartig hat sich in England das Schick-
sal des Frauenstimmrechts gestaltet. Die dem
Parlamente vorgelegte Wahlrechtsbill enthielt nichts
darüber. Es sollte durch ein Amendement die Ent-
scheidung des Hauses herbeigeführt werden. Der
Sprecher erklärte aber, daß die Aufoahme dieses
Moments den Entwurf zu einem neuen Gesetze mache.
Er sei genötigt, ihn der Regierung zurückzugeben.
Diese zog die ganze Vorlage zurück. Man sieht
daraus die den Parlamenten des Festlands unbekannte
weitgehende Stellung des Sprechers, dessen Bescheid
sich Haus und Regierung fügen. Man sieht, welchen
Fortschritt das Frauenstimmrecht gemacht hat. Ein
Teil der Regierung war dafür einzutreten gewillt.
Zur Ruhe wird diese Frage nicht mehr kommen.
Die englischen Suffragetten, die durch
Beschädigung der Briefkästen und ihres Inhaltes
demonstrierten, werden von den Londoner Ge-
schworenen kühl und sachlich abgeurteilt. „Without
retiring“, meldet der Bericht. Daß die Verurteilung
erfolgen mußte, ist zweifellos. Daß die Mittel, mit
denen die Bewegung arbeitet, verwerflich sind, nicht
minder. Liest man die Verteidigung der Angeklagten,
so wird ihre Ueberzeugung glaublich, nur durch die
gesetzgeberische Mitarbeit der Frauen das Los der
weiblichen Bevölkerung bessern zu können. Aber
auch der Wunsch nach der Märtyrergloriole ist un-
verkennbar. Schade, daß diese Hingebung' und Be-
geisterung so unglückliche Wege geht.
Bei der Beratung des deutschen Reichstags
über das Verfahren gegen Jugendliche hat der Abg.
Prof, van Calker die Zulassung der Frauen zum
Sch offen amte bei den Jugendgerichten angeregt.
Nicht aus Gründen der Frauenemanzipation, sondern
weil zur Würdigung der seelischen Vorgänge bei
weiblichen Angeklagten eine Frau besser imstande
sei. Es wäre sehr zu wünschen, daß die Kom-
mission diesen Gedanken aufnähme. Er findet dann
vielleicht später auch auf anderen Gebieten, wo das
einseitige rein männliche Urteil bei aller Objektivität
nicht ausreicht, Anwendung. So bei der Ehe-
scheidung. Ob darin nicht doch ein Stück der
Frauenbewegung zur Geltung kommt, ist schließlich
einerlei. Die Hauptsache ist, daß für das Urteil die
beste Grundlage geschaffen wird.
Rechtsanwalt Dr. Hachenburg, Mannheim.
Justizstatistik.
Berichterstatter: Oberlandesgerichtspräsident
Lindenberg, Posen.
Neue Richterstellen in Preußen. Der Etat für
1913 enthält eine wesentlich größere Zahl von neuen
Richterstellen, als die voraufgegangenen Jahre gehabt hatten.
Die Zunahme entfällt auf die Oberlandesgerichte und Land-
gerichte, während bei den Amtsrichterstellen eine Abnahme
stattgefunden hat. Bei den Oberlandesgerichten waren
mit Rücksicht auf den durch das Reichsgesetz vom
1. Juni 1909 herbeigeführten Rückgang der neuen Be-
rufungen die Richterstellen in den drei letzten Etats nicht
vermehrt worden, obwohl nach der Ausführung des Etats
für 1909 noch 69 Hilfsrichter dort beschäftigt blieben.
Nunmehr ist, wie die Etatserläuterungen sagen, mit Sicher-
heit zu übersehen, daß bei einzelnen Oberlandesgerichten
das etatsmäßige Personal zur Erledigung der
Geschäfte nicht ausreicht, weshalb ein Teil der jetzt
noch vorhandenen Hilfsrichter durch etatsmäßige Richter
ersetzt werden soll. Der neue Etat fordert deshalb die
Stellen für 5 Senatspräsidenten und 20 O berland es-
gerichtsräte, von denen allein 2 Präsidenten- und
7 Ratstellen auf das Kammergericht und 1 Präsidenten-
sowie 4 Ratstellen auf das Oberlandesgericht in Celle ent-
fallen. Die Zahl der neuen Landgerichtsdirektorenstellen
beträgt 7, die der neuen Landrichterstellen 54; von ersteren
entfallen 2, von letzteren 13 auf die Berliner Landgerichte.
Neue Amtsrichterstellen werden 47 gefordert, darunter nur
4 für die Berliner Vorortgerichte. Wie sich die Forderungen
für neue Richterstellen in den preußischen Etats der letzten
Jahre gestaltet haben, zeigt die nachstehende Tabelle.
Es sind eingestellt an neuen Stellen für:
Rechnungs- jahr |
Senatspräsi- denten und Oberlandes- gerichts- räte |
Land- gerichts- direktoren |
Land- richter |
Amts- richter |
zusammen |
1913 |
25 |
7 |
54 |
47 |
133 |
1912 |
0 |
5 |
14 |
60 |
79 |
1911 |
0 |
12 |
22 |
60 |
94 |
1910 |
0 |
0 |
0 |
105 |
105 |
1909 |
28 |
18 |
40 |
35 |
121 |
1908 |
22 |
18 |
29 |
54 |
123 |
1907 |
24 |
9 |
33 |
79 |
145 |
Gegenüber dem Jahre 1912 hat also eine Zunahme
der neuen Stellen um 54 stattgefunden, und man muß bis
1907 zurückgehen, um eine größere Zahl, als sie der neue
Etat enthält, zu finden. Neue Staatsanwaltsstellen
fordert der Etat für 1913 15 gegen 16 im Jahre 1912,
8 im Jahre 1911, 2 im Jahre 1910, 3 im Jahre 1909,
2 im Jahre 1908 und 5 im Jahre 1907. Die Zahl hält
sich also nahezu auf der Höhe des Vorjahrs. Zwei von
den neuen Staatsanwaltsstellen entfallen auf die Ober-
staatsanwaltschaften, darunter 1 auf das Kammergericht,
9 auf die Staatsanwaltschaften, darunter 4 auf die Berliner
Gerichte, und 4 auf die Amtsanwaltschaften.
Das Eiserne Kreuz bei den preußischen Ju-
risten. Nachdem jetzt nahezu 42 Jahre seit der Be-
endigung des deutsch-französischen Krieges verflossen
sind, dürfte es von Interesse sein, festzustellen, wie viele
Inhaber des Eisernen Kreuzes, dieser besonderen Aus-
zeichnung, die in den Jahren 1870/71 für kriegerische
Verdienste verliehen worden ist, in der preußischen Justiz-
verwaltung noch vorhanden sind. Zunächst sei ein ge-
schichtlicher Rückblick gegeben. Am Kriege gegen
Frankreich waren im ganzen 2571 Justizbeamte
beteiligt, nämlich 556 richterliche Beamte (mit Ein-
schluß der Gerichtsassessoren), 44 Beamte der Staatsan-
waltschaft, 70 Rechtsanwälte und Notare, 789 Referendare,
885 mittlere Beamte und 227 Unterbeamte. Als Offiziere
haben fungiert 948 Justizbeamte, als Auditeure 49. In
den Schlachten gefallen oder an den Wunden ge-
storben sind 90, darunter 16 Richter, 1 Staatsanwalt,
12 Assessoren, 48 Referendare, 12 mittlere Beamte und
2 Unterbeamte. An Krankheiten sind im Felde außer-
dem noch 18 Justizbeamte gestorben. Das Eiserne
Kreuz am schwarzen Bande haben im ganzen 366
Justizbeamte erhalten, nämlich 101 Richter, 10 Staats-
anwälte, 9 Rechtsanwälte, 211 Referendare, 31 mittlere
Beamte und 4 Unterbeamte. Drei von den Referendaren
i) Vgl. Hamm, S. 223 d. Bl.