Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

8.1.4. Das erste deutsche Jugendgefängnis

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 2.

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Prinzipal sowohl vor als nach Beendigung des
Dienstverhältnisses schriftlich auf die Konkurrenz-
Beschränkung verzichten kann, und daß damit auch
seine Verpflichtung zur Gegenleistung wegfällt. Er-
folgt der Verzicht erst nach Beendigung des Dienst-
verhältnisses, so soll nach Abs. 3 des § 75 a seine
Verpflichtung zur Gegenleistung noch für sechs
Monate nach Wegfall der Verpflichtung des Ge-
hilfen bestehen bleiben. Mir würde in Konsequenz
der Vorschrift des § 66 HGB. über die gesetzliche
Kündigungsfrist ein Zeitraum von 6 Wochen auf
Vierteljahresschluß genügend erscheinen. Dem im
Entwurf mehrfach betonten Grundsatz des gegen-
seitigen Vertrags würde es entsprechen, daß in-
solange auch die Verpflichtung des Gehilfen foit-
besteht. In den Abs. 2 u. 3 des § 75 a operiert
der Entwurf wieder mit Fristen und Fristsetzungen.
Ein praktisches Bedürfnis für diese komplizierten
Bestimmungen dürfte kaum anzuerkennen sein. Ins-
besondere scheint es mir zu weit zu gehen, daß der
Gehilfe nach Kündigung des Dienstverhältnisses in
allen Fällen berechtigt sein soll, den Prinzipal unter
Fristsetzung zu einer Erklärung darüber zu ver-
anlassen, ob er nicht lieber auf seine vertrags-
mäßigen Rechte verzichte. Das ist eine Re-
gelung, die im sonstigen Vertragsrecht ohne Vor-
bild ist. An die Nichteinhaltung oder Versäumung
der Frist ist überdies der Rechtsnachteil geknüpft,
daß der Prinzipal im Falle eines späteren Verzichtes
noch 6 Monate nach Wegfall der Verpflichtung
des Gehilfen die Karenz Vergütung zu bezahlen hat
— vom Standpunkt des gegenseitigen Ver-
trags eine ganz unbillige Bestimmung!
6. Der § 75 c des Entwurfs zieht aus dem Ver-
hältnis der bezahlten Karenz als eines Gegenseitig-
keitsvertrags für den Fall der Vereinbarung einer
Vertragsstrafe die richtige, dem § 340 BGB. ent-
sprechende Konsequenz. Der Prinzipal, der zur
Zahlung der Gegenleistung bereit ist, hat abweichend
vom geltenden § 75 Abs. 2 das Recht, anstatt der
Vertragsstrafe Erfüllung oder Entschädigung wegen
Nichterfüllung zu verlangen.
7. lieber die Fälligkeit der Vergütung und
ihre Berechnung gibt der § 74b zweckmäßige Vor-
schriften. Ob die obligatorische Vergütung für das
erste Jahr niedriger, für die folgenden höher, oder
— wie von den Organisationen der Handlungs-
gehilfen vorgeschlagenJ) — umgekehrt für das erste
Jahr höher, für die folgenden niedriger zu bemessen
wäre, ist eine rein wirtschaftliche Frage. Als
zweckmäßig würde sich zur Abschneidung der Streit-
fragen über Verzug und Verzugsfolgen wohl die
Vorschrift empfehlen, daß die Konkurrenzbeschrän-
kung in allen Fällen erlischt, in denen der Prinzipal
mit Zahlung der Karenzvergütung am Monatsschluß
>(§ 74b Abs. 1 des Entwurfs) länger als 14 Tage
im Rückstand bleibt.
8. Die Vorschriften über die relative Unwirk-
samkeit von abweichenden Vertragsbestimmungen
<§ 75 d), über die rechtliche Behandlung der Karenz-

vergütung im Konkurs und bei der Zwangsvoll-
streckung (§ 75 e), über die Ausdehnung der ge-
gebenen Vorschriften auf Handlungslehrlinge (§76
Abs. 1), sowie die UebergangsVorschrift (Art. 2)
geben zu Bemerkungen keinen Anlaß. Insbesondere
ist es nur zu billigen, daß der Entwurf die ein
soziales Prinzip enthaltende Vorschrift der obliga-
torischen Karenzvergütung auch gegenüber schon
bestehenden Verträgen zur Anwendung bringt.

Das erste deutsche Jugendgefängnis.
Von Professor Dr. Freudenthal, Frankfurt a. M.
In der Neujahrsnummer der DJZ. von 1908
(S. 60) war die Nachricht von der Entstehung des
ersten deutschen Jugendgerichtes enthalten. War
es damals die Verwaltung der Justiz in Preußen,
die das Werk in Angriff nahm, so darf jetzt —
ein halbes Jahrzehnt später — wiederum die Ver-
waltung, und zwar diesmal die des preußischen
Ministeriums des Innern, als die Trägerin eines
großen, ja für den deutschen Strafvollzug grund-
legenden Fortschrittes bezeichnet werden. Ihr ist
die Errichtung des am 1. August 1912 ins Leben
getretenen ersten deutschen Jugendgefäng-
nisses in Wittlich an der Mosel zu danken.
Wie beim Jugendgericht hat es auch hierfür
einer Aenderung des bestehenden Rechtes nicht
bedurft. Es ist selbst an den dem Strafvollzüge zu-
grundeliegenden Verordnungen nicht ein Wort zu
ändern nötig gewesen. Die neue Veranstaltung hält
sich innerhalb des bestehenden Rechtes und der be-
stehenden Verordnungen. Das Verdienst, das Neue
dem alten Rahmen eingefügt zu haben, ist in erster
Linie das des unermüdlichen Leiters des preußischen
Gefängniswesens im Ministerium des Innern, Geheim-
rat Dr. Kr oh ne.
Zum Glück hat schon das StrGB. von 1871
die Möglichkeit ins Auge gefaßt, daß der Vollzug
von Freiheitsstrafen jugendlicher Personen in beson-
ders hierfür bestimmten Anstalten stattfinde.
Freilich waren da die besonderen Anstalten in
Alternative mit besonderen Räumen einer und der-
selben Anstalt gesetzt (§ 57 Abs. 2 StrGB.). Diese
Alternative hat sich als gefährlich erwiesen. Es
ist nämlich in den 40 Jahren seit dem Erlaß des
StrGB. von den deutschen Strafvollzugsverwaltungen
der Vollzug an Jugendlichen in denselben Anstalten
wie an erwachsenen Gefangenen vorgenommen
worden. Man hat dabei zwar in gewissenhaftester
Weise durch die Einrichtung besonderer Abteilungen
das für die Trennung der Altersstufen Mögliche zu
tun versucht. Aber grade Praktiker, auch des Straf-
vollzuges haben uns versichert, daß in solchen Ab-
teilungen für Jugendliche eine völlige Trennung von
Erwachsenen nicht immer und nicht überall durch-
führbar sei. Das Bedürfnis nach besonderen An-
stalten für Jugendliche wurde um so größer, je
mehr die Jugendgerichtsbewegung das Verständnis
für die Notwendigkeit prozessualer Sonderung der

*) Vgl. Verbandsblätter, Kaufmännische Reform 1912, S. 375.

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