Gelobter und gebotener Friede im deutschen Mittelalter. 151
langobardischen Recht des 8. Jahrhunderts bereits eine ge-
setzliche Regelung gefunden zu haben.
Liutprand c. 42 (Mon. Germ. LL. 4, 126): Si iudex aut
actor puplicus .. inter homenis, qui aliquam discordiam habent,
treuvas tulerit et unus ex ipsis hominibus, inter quos ipsas
treuvas tuitas sunt, eas ruperit, medietatem de ipsas treuvas
conponat in puplico et medietatem Uli, cuius causa est. Et ipsas
treuvas non sint minus quam sol. 200. Qui autem amplius
forsitan pro maioribus causis ponere voluerit, sit ei licentiam.
Diese Stelle zeigt eine auffallende Ähnlichkeit mit der
Behandlung des Friedens in den Quellen des deutschen
Mittelalters. Wenn es dort heißt, daß der Richter „Friede
nimmt“ oder „aufnimmt“, d. h. die Parteien zum Friedens-
gelöbnis auffordert, so ist hier vom treuvas ferre die Rede.
Und, wie so häufig im Mittelalter, wird auch hier gleich bei
der Herstellung des Friedens die Strafe für den Friedbruch
festgesetzt. Allerdings fehlt bei Liutprand ein wichtiges
Moment: es wird nicht gesagt, daß der Friede nur auf Zeit
genommen wird. Dennoch möchte ich annehmen, daß Luit-
prand nicht die Sühne, sondern den Frieden im eigentlichen
Sinne meint.* 1 * * * * * *) Dafür spricht einmal der Ausdruck treuva,
der ja in späterer Zeit für den Frieden technisch ist*); da-
für spricht weiter der Umstand, daß die langobardische
Rechtssprache zur Bezeichnung der Sühne nicht treuva, son-
dern compositio verwendet.8) Endlich kommt noch‘folgendes
in Betracht: wenn man treuva als Sühne auffaßt, so kommt
man zur Annahme eines obrigkeitlichen Sühnezwanges; von
einer solchen Einrichtung ist aber im langobardischen Recht
sonst nirgends die Rede.8)
Ton den italienischen Quellen der Folgezeit ist, abgesehen
(allerdings nur des gewöhnlichen Landfriedens) bei den Nordgermanen
spricht vielleicht dafür, daß er auch anderswo in ältere Zeit zurück-
reicht.
l) Unklar sind die Bemerkungen von Wilke a. a. 0. 9. — *) Auch
in Italien. Vgl. die Stellen bei Köhler a. a. 0. 88L, besonders auf
8. 41 die Friauler Urkunde von 1819: Conraäm .. fecit tremas .. hinc
ad octo dies post festum 8. Michaelis proximi secundum consuetudinem
terre Forojulii. — *) Ed. Rothari c. 143. — *) Dagegen kennt das
fränkische Recht einen derartigen Sühnezwang. Vgl. Brunner, Deutsche
Rechtsgesch. 2, 580.