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Dr. Victor Friese,
Heinrich HI. und Wladeslaus von Schlesien der Stadt Breslau
im Jahre 1261 Magdeburgisches Recht bewilligen, dahin aus:
Cum . . . civitas Maydeburgensis in pena maiori LX
solidos atque minori YIH solidos exigat et requirat, nostre
civitati Wratislavie leviores atque meliores esse, volentes iam
dictam penam per medium succidimus, statuentes ut pro
maiori pena triginta solidi, pro minori vero quatuor solidi
exigantur in civium nostrorum comodum et levamen.1)
Diese Unterscheidung des Gewettes beruht sowohl im
Sachsenspiegel als in den Magdeburger Rechtsquellen auf
der verschiedenen Stellung der Gewetteempfänger.2) Das
Gewette ist nach diesen in der Regel nämlich nicht ein
für alle Falle festfixiertes Strafgeld, kein völlig unbewegl-
icher fredus wie nach den Rechtsquellen der fränkischen
Zeit, sondern es richtet sich in seiner Höhe genau so wie
Buße und Wergeid nach dem Stande des Yerletzten, d. h.
nach der (höheren oder niederen) amtlichen Stellung des
Richters, in dessen Sprengel die Rechtsordnung gebrochen
ist, und dem gegenüber dieser Rechtsbruch durch die Ent-
richtung einer Geldsumme gesühnt werden muß. Es kommt
also nicht daräuf an, ob eine größere oder mindere Rechts-
verletzung begangen ist, sondern darauf, ob die wetthafte
Handlung dem höheren oder dem niederen Richter zu wetten
ist, so daß also der untere Richter selbst bei einem schwereren
Rechtsbruch nur die ihm zustehende geringere Wette, der
obere Richter dagegen auch bei einem leichteren Wettefall
die ihm gebührende höhere Wette erhält. Wenn nun die
beiden Polenherzöge für ihre neue Gründung diesen Unter-
schied der Wetten mit übernommen haben, so mußte er
hier einen anderen Inhalt annehmen. Denn in der nach
deutschem Rechte zu gründenden Stadt sollte — wenigstens
*) Vorher hatte schon die Kulmer Handfeste von 1233 diese
Herabsetzung des höchsten Gewettes vorgenommen: Statuimus autem
in eisdem civitatibus iura Megdeburgensia in omnibus sententiis in
perpetuum observari, hoc induito, ut cum reus aliquis Megdeburch in
LXa solidis puniri debeat, hic in XXXa solidis Culmensis monete
mulctetur, eodem modo in culpis aliis proportional iter ob-
servato. — *) Vgl. Friese „Das Strafrecht des Sachsenspiegels“
S. 204 ff.