Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Germanistische Abteilung (Bd. 2 (1881))

Litteratur.

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Wahrheit dargetan, und diese für unsere Zeitanschauung befremdende
Tatsache durch die mittelalterliche „naturalistische Idee von der Einheit
der physischen und moralischen Kräfte im Menschen“ erklärt (p. 54). so
dass der Sieg im Zweikampf in „Art leiblicher Beweisung die Ueber-
kraft des Rechtes“ ad oculos demonstrire. — Dagegen wird dem sowol
sola manu, als mit Eidhelfern geschworenen Eide des Klägers jeder Be-
weismittelscharacter abgesprochen; die in Eidesform gekleidete Klage
stelle, selbst wenn der Kläger mit noch so vielen Eidhelfern seine
Glaubwürdigkeit potenzire, nie objective Wahrheit fest. Bei dein Klage-
beweis bei handhafter Tat komme es ebenfalls nicht auf die Eidhülfe
der Schreimannen an, sondern auf deren Aussagen als wahre Augen-
und Ohrenzeugen; als solche werden sie durch die leibliche Beweisung
legitimirt, die an und für sich nichts für die Klagebehauptung beweise,
sondern nur die „Garantie für die Handhaftigkeit der behaupteten Tat“
(p. 91) biete.
3) Zum historischen Nachweis des Vorstehenden sub. 1 und 2 sind
auf pp. 98—214 reiche und neue Belege übersichtlich zusammengestellt.
Nicht, wie die frühere Literatur, übermässig bei den sächsischen Quellen
verweilend, fusst sich L. zuerst auf die Quellen der fränkischen Periode
fest und begibt sich nach der dort gewonnenen Richtschnur in geo-
graphischer Ordnung von Flandern bis nach Böhmen, Mähren und
Ungarn auf die Wanderung durch das spätere Mittelalter.
II. Wirkung und Beweiskraft.
Den Satz „actore non probante, reus absolvitur“ kennt das deutsche
Recht nicht. Deutschrechtlich zwingt jede beweislos erhobene, oder
beweislos gebliebene Klage den Beklagten zur Abwehr und hat bis
dahin processualisches Dasein. Allerdings fehlt ihr wegen ihrer Beweis-
losigkeit jeder objective Inhalt und genügt daher zur Abwehr schon
der subjective Reinigungseid; hierin ist er rein formelle Processhand-
lung, in der sogar Vertretung möglich ist, wie dies Schwsp. G. c. 151.
§ 1 (bei Loening p. 262, Anm. 25) ausspricht: „Sprichet man ein kint
an, — und ist ez unschuldic: der vater sol für ez sweren“. — Wenn
der Reinigungseid nur subjectiven und formell-processualen Wert haben
soll, so darf ihn L., der überhaupt nur objective Beweismittel kennt
und speciell dem Eide des Klägers die Beweisunfähigkeit nachzuweisen
sucht, gar nicht zu den Beweismitteln im technischen Sinne rechnen.
Zudem scheint er ihn als das einzige Verteidigungs - und Reinigungs-
mittel des Beklagten anzusehen: aber nicht anzunehmen ist es, dass
der Beklagte seine Unschuld allein und dazu nur processualisch-formell
durch das einfache „negare per sacramentum“ habe rehabilitiren dürfen
und können. Selbst wenn es deutschrechtlich gar keinen Gegenbeweis
gäbe, nicht einmal durch Gerichtszeugniss, so gibt es doch beweislos
angestellte Klagen, wo der Kläger jede Beweisführung dem Beklagten
überlässt: sollte hier ausser der Verteidigung durch den subjectiven
Reinigungseid nicht auch ein Verteidigungsbeweis durch objective Be-
weismittel statthaft gewesen sein, wie tatsächlich seitens des Beklagten

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