Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Germanistische Abteilung (Bd. 22 (1901))

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Dr. Werner Wittich,

höherem Mafse in /einer Zeit der Fall sein, in der auch der
Grossbetrieb nicht für den Markt sondern ausschliesslich für
den Haushalt eines grossen Herrn produzirte. Nun trifft
aber die Annahme, dass die Grossgrundherrschaft ein Gross-
betrieb gewesen sei, nicht im Entferntesten zu. Die Gross-
grundherrschaft des frühen Mittelalters war kein Grossbetrieb
sondern ein Konglomerat von Kleinbetrieben. Brunner
sagt selbst kurz nach den obigen Darlegungenx): „In der
Regel bildete die Grundherrschaft keinen zusammenhängen-
den Komplex, sondern setzte sie sich aus vielen in ver-
schiedenen Gegenden zerstreuten Betrieben zusammen."
Die grosse Masse der Einzelbetriebe, welche eine solche
Grossgrundherrschaft bildeten, waren abhängige Bauern-
güter, deren Betriebsweise sich in keiner Hinsicht von der-
jenigen der übrigen Bauerngüter unterschied. Yon den Herren-
höfen aber ist bekannt, dass sie gerade im Ostfrankenreich
an Grösse, Betriebstechnik und Haupterzeugnissen den ab-
hängigen Hufen fast völlig glichen. Abgesehen von einigen
Erzeugnissen des Garten- und Weinbaues, die vielleicht auf
die Herrenhöfe beschränkt waren, ist kein Unterschied
zwischen dem Betrieb der Salhufen und der Bauernhufen
festzustellen. Auch befanden sich die Grossgrundherrschaften
mit ihren Herren- und Bauernhufen nicht, wie Brunner meint,
ausserhalb der [freien] Dorf- und Bauerschaften sondern
mitten darunter. Sie waren also in Betrieb und Ausnutzung
des Grund und Bodens völlig dem Flurzwang unterworfen
und konnten gar keine andere Wirthschaft als die allgemein
übliche betreiben. Gerade die Dreifelderwirtschaft, von
der Brunner als einem Beweis der Ueberlegenheit grund-
herrlicher Wirthschaft über den bäuerlichen Betrieb spricht,
wird von Lamprecht an der gedachten Stelle als Betriebs-
weise der Bauerngüter nachgewiesen3). Alle diese That-
sachen sind längst bekannt und allgemein zugegeben, nur
werden sie von Rechts- und Wirthschaftshistorikem im ent-
scheidenden Moment, d. h. beim Urtheil über ihre Kon-

*) Vgl. Brunner, Rechtsgeschichte Bd. I pag. 208. — *) YgL
Lamprecht, Deutsches Wirthschaftsleben im Mittelalter, Bd. I,
(Leipzig 1886) pag. 545.

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