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Erwiderung.
Oder sollte etwa gar der ,Vocativus vor Brandenburg* ein neuer Beweis
sein ftlr den Schöppenatuhl als »Instanzgericht*?
In dem Kompositum »Rechtszug* soll die erste Hälfte immer noch
das Subjekt, nicht das Objekt des Ziehens, das bericht, nicht das ob-
jektive Recht oder das Urteil bedeuten, wofern nicht dem Herrn Verf.
,die Existenz des Wortes Urteilszug und die Identität von Urteil und
Recht* nachgewiesen wird. Was zunächst die Identität von Recht-
und Urteil betrifft, so ist sie okkasionell in und ohne Verbindung mit
»ziehen* nachweisbar. Man bittet oder fragt den Oberhof um ein »Recht*
und darauf ergeht ein »Recht*; man holt dort ein »Recht* und ein
»Recht* wird eingebracht, ausgegeben, verkauft, — alles dies, wie um
ein »Urteil* gebeten oder gefragt wird, ein »Urteil* ergeht, geholt, ein-
gebracht, ausgegeben, verkauft wird. Nach einem und demselben Text
aber wie z. B. dem Sachsenspiegel ,zieht* man auch das ,Recht* an
einen andern, wie man ein ,Urteil* an die mehrere Menge, an den
Litern Schwaben, an den höchsten Richter, an die höchste Dingstatt-
»zieht*. Dem Herrn Verf. scheint dieser ganze und vielfältig belegbare
Sprachgebrauch unbekannt. Um so verzeihlicher ist es, daß er das Wort
,Zug* in der Bedeutung eben dieses Ziehens nicht kennt, obgleich
er es doch z. B. aus den Magdeburger Fragen oder aus dem Glogauer
Rechtsbuch kennen könnte. Bei einem Verf., der da noch das Kom-
positum ,Urteilszug* verlangt, wird man sich nicht wundern dürfen,
wenn er nicht einsieht, warum man ihn darauf aufmerksam macht,
der Qenitiv bei tien bezeichne das Objekt!
Daß das ,fryhti Reis kein »frisches*, sondern ein »freies* Reis, damit
scheint es auch nach vielem Drehen und Wenden beim Herrn Verf. seine-
Richtigkeit behalten zu sollen. Freilich die Schuld jenes fatalen Miß-
verständnisses sucht er auf seinen Hilfsarbeiter Friese abzuschieben,
als ob nicht der Herausgeber des Urkundenwerkes Dr. Adolf Stölzei
hieße. Daß der Fehler ,keine Todsünde*, ist wahr; die Moraltheologie-
befaßt sich mit derlei Dingen glücklicherweise noch nicht. Aber ein
lächerlicher Fehler war es, und abermals einen Blick in die Tiefe philo-
logischer Kenntnisse des Herrn Verf. gestattet er uns, indem er allen
Ernstes sagt, daß eine hochdeutsch abgefaßte Urkunde, die von einem
»frejren* Reise spricht, ,einen sehr wertvollen Fingerzeig dafür
geben konnte, wie das fryhe oder frie ris der älteren beiden in Nieder-
deutsch abgefaßten Urkunden in Hochdeutsch wiederzugeben sei*! Also
eines solchen Fingerzeigs bedurften die Herren. Wichtiger aber ist
Seiner Exzellenz die Bedeutung von »freiem Reis*. Hier nun eine Ent-
deckung : wer da meinen möchte, ein Reis könne »frei* heißen wie z. B.
ein Kreuz »frei* (franche croix), ein Qerichtsstab »gewaltig*, eine Hand
,gelobt* oder ,getreu* oder auch wie die Stande, in der ich dies schreibe
»vergnügt*, — der würde gänzlich falsch raten, eine solche gramma-
tische Erklärung wäre viel zu einfach. Umständlicher und darum vor-
zuziehen ist eine mythologische. »Frei* ist das Reis von seiner Rinde,
es ist ein geschältes Reis. Denn es gab geschälte (,weiße*) Stöcke, die
,üblich* waren »gegen Zauberer und Geister*. Ganz richtig, solche