6.23.
Schulversäumniß. - Entschuldigung. - Physikatsattest
2. Abthlg.
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ausdrücklich erklärt, von dem ihm nach Art. 269 des B. G.-B.
zustehenden Rechte keinen Gebrauch machen zu wollen,
obwohl ihm bekannt war, daß die Klägerin die ihr angewiesene
Wohnung verlassen hatte. Das Oberlandesgericht hatte daher
über eine Einwendung des Beklagten in dieser Hinsicht gar
nicht zu entscheiden, sonach ist in dieser Beziehung das Gesetz
nicht verletzt. Bei dieser prozessualen Sachlage ist es nicht
zulässig, erst in der Revisionsinstanz die Einrede aus Art. 269
vorzuschützen, da eine Abweisung der Klage nur unter Auf-
hebung des Berufungsurtheils erfolgen könnte, eine solche aber
wegen mangelnder Gesetzesverletzung nicht zu erzielen ist.
Reichsgericht. Sitzung vom 1. Februar 1898.
Schulversciumnist. — Entschuldigung. - Physikats-
attest.
Die Frage, ob eine Schulversäumniß „ent-
schuldigt" sei, hat dieSchulaufsichtsbehörde
allein zu entscheiden. Kommt der Vater,
welcher sein Kind wegen Krankheit längere
Zeit unter Ueberreichung eines vom Lehrer
nicht für ausreichend erachteten ärztlichen
Attestes aus der Schule zurückbehält, der
sich auf eine Regierungsverfügung st ätzen-
den Aufforderung des Letzteren zur Bei-
bringung eines Physikatsattestes, ohne
gegen dieselbe Beschwerde zu führen, nicht
nach, so ist er wegen unentschuldigter Schul-
versäumniß seines Kindes zu bestrafen.*)
Strafsache gegen Baches.
So entschieden auf die Revision der Staatsanwaltschaft
unter Aufhebung des freisprechenden Urtheils des Landgerichts
Saarbrücken vom 16. Oktober 1897 aus folgenden
Gründen:
Der Revision der Kgl. Staatsanwaltschaft, welche Ver-
letzung der Allerhöchsten Kabinetsordre vom 20. Juni 1835
rügt, war der Erfolg nicht zu versagen.
*) Vergl. Rhein. Archiv, Bd. 92. 2 S. 111.