Full text: Archiv für das Zivil- und Kriminalrecht der Königlich-Preussischen Rheinprovinzen (Bd. 36, Abth. 2 = N.F. Bd. 29, Abth. 2 (1843))

6

Ist der Angeklagte schuldig, von feinen Waffen im Dienste auf
eine unerlaubte Art, und ohne durch einen bewaffneten Angriff
von Seiten des des Holzfrevels verdächtigen Keuenhof dazu genö-
thigt gewesen zu seyn, Gebrauch gemacht, und auf diese Weise
den Keuenhof freiwillig getödtet zu haben?
habe der Assisenhof die Hauptfrage gelassen wie sie im Anklageakte stehe,
mit den Worten:
Ist der Angeklagte schuldig, den Keuenhof freiwillig getödtet zu
haben;
und habe die aus dem Dienstverhältnisse desselben und aus dem Gesetze
vom 31. Marz 1837 sich ergebenden Elemente des Tatbestandes daraus
entfernt gehalten, diese vielmehr in der Form von f'aits d’excuse ganz
im Sinne des Art. 339 der Crim. P. O. aufgestellt. Der Assisenhof
habe auf diese Weise die Bestandtheile desselben Verbrechens auseinander-
geriffen, aus einem Verbrechen zwei geschaffen, 1) das durch Art. 295
und 314 des Strafgesetzbuchs vorgesehene gemeine Verbrechen der Löd-
tung, 2) das durch das Gesetz vom 31. Marz 1837 vorgesehene Dienst-
vergehen. Hierdurch seyen die jetzt angeführten Gesetze verletzt, resp.
falsch angewendet, zugleich aber seyen auch die Art. 337 und 339 der
Crim. P. O. falsch angewendet, indem der erste verfüge, daß diejenigen
Elemente des Thalbestandes,! welche das Verbrechen constituiren, den Ge-
schwornen mit der Frage vorgelegt werden sollen: Ist der Angeklagte
schuldig rc. der zweite aber nur bei den falls d'cxcuse die Stellung der
Frage in der Form: Ist es erwiesen, daß rc. gestatte. Der Angeklagte
habe aber keine Entschuldigung eines begangenen Verbrechens Vorbringen
wollen. Eine Entschuldigung lasse das Verbrechen selbst noch bestehen. Der-
selbe habe behauptet, mit vollem Rechte nach den Bestimmungen des
Gesetzes vom 31. Marz 1837 Gebrauch von seiner Waffe gemacht und
also gar kein Verbrechen begangen zu haben. In dem Falle, wo es auf
das Vorhandenseyn der Nothwehr ankomme, würde es doch ganz gewiß
nicht erlaubt seyn, den Geschwornen zwei Fragen:
1) Ist der Angeklagte schuldig, den N. freiwillig getödtet zu haben?
2) Ist es erwiesen, daß der Angeklagte sich in dem Falle der Noth-
wehr befunden habe?
vorzulegen. Die Notbwebr schließe die Idee eines Verbrechens nothwen-
big aus. Die Frage der Nothwehr sey identisch mit der Frage des
Verbrechens. Man könne daher den Begriff der Tödtung nicht von dem
Begriff der Nothwehr trennen, um sie zum Gegenstand zweier verschie-
denen Fragen zu machen. Eben so könne man auch in dem vorliegenden
Falle den Begriff der Tödtung von dem Begriffe des von Seiten des
Holzfrevlers Statt gehabten gefährlichen Angriffes nicht trennen, obne
die Natur des dem Angeklagten zu Last gelegten Verbrechens völlig zu
untergraben und zu vernichten. — Im Falle einer gewöhnlichen Provo-
kation im Sinne des Art. 321 des Strafgesetzbuchs sey der Angeklagte
des ihm zur Last gelegten Verbrechens wirklich schuldig, und der Ent-
schuldigungsgrund sey ein lactum für sich, welches einen Anspruch auf
gelindere Bestrafung gebe. In solchem Falle müsse ohne Zweifel den
Geschwornen die Hauptfrage unbedingt zur Beantwortung vorgelegt worden.
Allein ein solcher Fall sey absolut verschieden von dem vorliegenden, wo
die behaupteten faktischen Momente eine Aufhebung der Idee des Ver-
brechens zur Folge hatten. Durch diese Zerreißung der faktischen Elemente

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer