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Endlich stehe der von dem Appellationsrichter hauptsächlich in Bezug
genommene Art. 883 des B. G. B. mit -der obigen Anschauung gar
nicht einmal im Widerspruch. Demselben werde auch in der französischen
Gesetzgebung und Rechtswissenschaft auf dem Gebiete der Besteuerung
keine Anwendung gegeben. Das Engregistrements-Gesetz vom 22. Fri-
maire VII. stelle Theilungen mit Herausgabe und Gegenleistung den
Verkaufen gleich und in der Wissenschaft sei der Grundsatz registrirt,
daß die Herausgaben bei Theilungen als Uebertragungen (comme trans-
latifs) in dem alten Rechte seien angesehen worden, daß das Gesetz vom
22. Frimaire Vif. diesen Character bewahrt habe und daß in dieser
Materie der Art. 883 des B. G. B. einer Anwendung nicht empfänglich sei.
Eine Erwiderung ist Seitens der Cassationsverklagten, denen der
Recurs mit Vorladung hierhin vorschriftsmäßig zugeftellt worden ist,
nicht eingegangen.
U r t h e L l:
I. E., daß nach den thatsachlichen Feststellungen der Instanzrichter die
Eheleute Krumm den Eheleuten Kotthaus zum Zwecke der Auseinander-
setzung ihren Antheil an den gemeinschaftlichen Immobilien gegen Ueber-
nahme der darauf haftenden Hypothekarschulden und Auszahlung einer
Summe von 2075 Thlr. übertragen haben;
Daß die Lösung der Frage, ob hierin ein der Stempelabgabe, als
solches unterworfenes Kaufgeschäft enthalten sei, zunächst in dem für den
ganzen Umfang der Monarchie erlassenen und eine gleichmäßige Besteuerung
in den verschiedenen Rechtsgebieten derselben herbeizuführen bestimmten
Stempelgesetze zu suchen ist, und daß den generellen Grundsätzen dieses
Gesetzes gegenüber Eigenthümlichkeiten der provinziellen Civilgesetzgebungen
soweit sie zu einer den erkennbaren Absichten des Stempelgesetzes wider-
sprechenden Behandlung der Stempelfrage führen könnten, in den Hinter-
grund treten müssen ;
Daß der §. !0 des Stempelgesetzes vom 7. März 1822 Eigenthums-
übertragungen bei Theilung einer Erbschaft ausdrücklich als Kauf- und
Lauschverträge bezeichnet und als solche der Stempelabgabe unterwirft;
Daß der hierin ausgesprochene Grundsatz auch durch die spateren, an
das Stempelgesetz sich anschließenden Gesetze nirgend beseitigt, daß'durch
letztere der §. 10 nur in seinen auf den Befteuerungsmodus bezüglichen
sachlichen Bestimmungen aufgehoben, das Princip dagegen, daß Eigen-
Lhumsübertragungen, auch wenn sie bei Gelegenheit von Erb- und anderen
Gemeinschaftstheilungen Vorkommen, nach Befinden der Umstande als
Kauf- und Tauschgeschäfte zu behandeln sind, überall festgehalten ist, und
daß insbesondere die Cab.-Ordres vom 21. Juni 1844 und 10. Nov. 1845
für Erbtheilungen und Auseinandersetzungen zwischen dem überlebenden
Ehegatten und den Erben des verstorbenen ausnahmsweise Begünstigungen
ertheilen, die gerade als Ausnahmen die Regel in den nicht ausgenomme-
nen Fallen bestätigen;
# Daß es hiernach nicht bezweifelt werden kann, daß ein Rechtsgeschäft,
wie das vorliegende, — die Übertragung des Antheils eines Miteigen-
thümers an einem gemeinschaftlichen Immobile auf den anderen zum
Zwecke der Auseinandersetzung „unter den festgesetzten onerosen Bedingun-
gen, — bei welchem keiner der Ln den Cab.-Orvres vom 21. Juni 1844
und 10. November 1845 vorgesehenen Fälle eintritt, dem Grundsätze des