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haben, und hat auch, ohne Dienste zu thun, von der Verklagten sein
Tagelohn von 16 Sgr. bis zum 31. Juli 1873 fortgezahlt erhalten.
Im Juli 1873 lehnte die Verklagte die weitere Zahlung ab, weil sie
die Erwerbsunfähigkeit des Klägers nicht mehr als vorhanden annahm,
und nun hat der Kläger erst am 5. November 1873 (also nach Ablauf
der zweijährigen Verjährungsfrist) Klage erhoben. Er fordert darin,
an Heilungskosten und für die entzogene Erwerbsfähigkeit:
a) für die Vergangenheit 695 Thlr. 22 Sgr. 6 Pf.,
d) für die Zukunft 1 Thlr. für den Tag.
Der erste Richter hat die sämmtlichen Heilungskosten als unsub-
stantiirt, den entzogenen Lohn aber nur für die außerhalb der zwei-
jährigen Verjährungsfrist fallende Zeit (21. August bis 5. November
1873) ab gewiesen, sonst nach dem Klageanträge verurtheilt.
Auf die Appellation beider Theile hat das Appellativnsgericht
zu Magdeburg am 11. Januar 1875 dahin geändert, daß der Kläger
gänzlich abzuweisen.
Gründe.
Beide Theile haben appellirt, der Käger, weil die Verklagte nicht
nach dem Klageanträge verurtheilt ist, die Verklagte, weil der Klüger
nicht gänzlich abgewiesen ist. Die letztere Appellation war für begründet
zu erachten, da die von der Verklagten eingewendete Verjährung
allen Klageansprüchen gegenüber Platz greift.
Diese Ansprüche sind auf das Gesetz vom 7. Juni 1871 (R. G. Bl.
S. 207) gegründet, unterliegen also auch der im § 8 dieses Gesetzes
bestimmten Verjährung von zwei Jahren. Wenn die Klage innerhalb
dieser zweijährigen Frist nicht angestellt ist, so erlöschen, wie der klare
Wortlaut des § 8 ergiebt, alle in § 1—3 des Gesetzes gedachten For-
derungen auf Schadenersatz, nicht bloß diejenigen, welche außerhalb der
zweijährigen Frist liegen, wie der erste Richter mit Unrecht interpretirt
(vergl. Endemann, Kommentar zu diesem Gesetze in Behrend's Zeit-
schrift Bd. 5 S. 562).
Sodann fragt es sich, wann im vorliegenden Falle die Verjährung
begonnen hat, und ob sie unterbrochen ist.
Der Entwurf des Gesetzes hatte den Beginn gemäß der allge-
meinen Rechtsregel (§ 545 L.-R. I. 9) an die Entstehung der For-
derung (aolio nata) geknüpft, und die Dauer auf ein Jahr festgesetzt.
Wenn man hiervon abging, den objektiv festen und sichern Tag des
Unfalls als Anfangspunkt wählte, und dagegen die Dauer auf die
(immerhin noch kurze) Frist von zwei Jahren erstreckte, so waren dabei