Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 50 (1906))

Irrtum im Motive.

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Betriebe der beiden Schlagholländer dienende Transmission leisten
könne; er habe nicht gewußt, daß die Mahlarbeit das wesentliche für
die Papierfabrikation sei. Mit keinem Worte deutet er an, daß er
unter büttenfertigem Stoffe etwas anderes verstanden habe, als einen
für die Bütten der Papiermaschine reifen Stoff. Es erscheint auch
an sich ausgeschloffen, daß der Direktor einer Papierstoff-Fabrik über
den Begriff der Büttenfertigkeit im unklaren sein sollte. Wenn der
Berufungsrichter sagt, daß sich der Zeuge unter dem büttenfertigen
Stoffe einen gering gemahlenen Stoff vorgestellt habe, so kann dies
nur heißen, daß der vr. M. geglaubt habe, die Büttenfertigkeit
werde sich durch eine geringe Mahlung erreichen lasten. Ein solcher
Irrtum betrifft aber nicht den Gegenstand des Vertrags oder seine
Eigenschaften, sondern die Kalkulation. Nicht darüber täuschte sich
der Vertreter der Klägerin, was er zu liefern hatte, sondern darüber,
welcher Aufwand an Kraft notwendig war, um das Versprochene zu
erzeugen. Erklärt und gewollt war — vom Standpunkte des Be-
rungsrichters — die Beschaffung bütteafertiger Zellulose. Der
Direktor M. würde aber das Geschäft nicht eingegangen sein, wenn
er die Kosten der Herstellung dieses Stoffes richtig berechnet hätte.
Durch den Zrrtum in der Bewertung der Grundlagen des Vertrags
ist er zu dessen Eingehung bewogen worden. Ein solcher Zrrtum
über Umstände, die außerhalb des Rahmens der rechtsgeschäftlichen
Erklärungen der Parteien liegen, ist als bloßer Zrrtum im Motive
für den Bestand des Geschäfts ohne Bedeutung (§ 83 I. 4 ALR.).
Dies hat das Reichsgericht (II. ZS.) für den Fall eines Rechen-
fehlers in der Preiskalkulation des Verkäufers bei Anwendung des
§119 BGB. bereits ausgesprochen (RG. 55, 369). Nicht anders
verhält es sich im gegenwärtigen Falle, wie denn der Berufungs-
richter auch schließlich darauf hinauskommt, daß der vr. M. nicht
zum Preise von 15,50 bzw. 15 M. für 100 kg Zellulose verkauft
haben würde, wenn er gewußt hätte, daß zu einer Tagesleistung von
4000 kg etwa 57 PS. erforderlich seien. Mit einer Anschauung,
die dem Kausmanne gestattet, ein Geschäft aufzurufen, weil er sich
über die Produktionskosten der versprochenen Ware getäuscht hat,
kann der Verkehr nicht bestehen. Sie findet auch im Gesetze keine
Stütze, weder im Allgemeinen Landrechte noch im Bürgerlichen Ge-
setzbuche. Deshalb mußte das Berufungsurteil, das auf dieser An-
schauung beruht, aufgehoben werden. Zn der Sache selbst ist der
Prozeßstoff noch nicht erschöpft.

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