610 Die grundbuchliche Verfügungsmacht des befreiten Vorerben.
Mißbraucht der Vorerbe sein Amt, um das Recht des Nach-
erben zu vereiteln, so hat der Racherbe die Möglichkeit, durch das
Nachlaßgericht die Entlassung des Testamentsvollstreckers herbeizu-
führen und für den bereits angerichteten Schaden Ersatz zu fordern
(vgl. §§ 2227, 2219, 2128 BGB., Planck 5, Erl. zu § 2222).
Man hat nun eingewendet, daß mit dieser Lösung dem Grund-
buchamte gegenüber auch nicht geholfen sei, weil auch der Testa-
mentsvollstrecker nicht schenken dürfe, daß also auch in diesem Falle
der Nachweis der Entgeltlichkeit der Verfügung des Vorerben werde
geführt werden und deshalb auch hier die Zustimmung des Nach-
erben werde beigebracht werden müssen (vgl. Brachvogel bei Gruchot
Bd. 50 S. 64, Jastrow in DNotV. 1906 S. 97 ff.).
Dieser Angriff geht jedoch fehl:
Die Verfügungsmacht des Testamentsvollstreckers und des Vor-
erben — auch des befreiten — sind grundsätzlich verschieden ge-
staltet. Aus den §§ 2113, 2114 BGB. ergibt sich, daß das Recht
des Vorerben ein gegenständlich beschränktes ist und daß ihm außer-
halb der ihm durch die letziwillige Verfügung eingeräumten Be-
fugnis die Möglichkeit, mit voller Rechtswirksamkeit zu verfügen,
fehlt. Eine über seine Befugnis hinausgehende Verfügung leidet
von Anfang an an einem Mangel, der ihre Rechtswirksamkeit be-
einträchtigt und sie bei Eintritt der Nacherbschaft sogar völlig ver-
nichten kann (Mot. 5, 111; Prot. 5, 110; Planck Note 1 zu § 2113
BGB.). Die Beschränkungen des Abs. 1 u. 2 des § 2113 BGB.
stehen einander in ihrer Wirkung gleich (Planck Note 2 a. a. O.).
Den Beschränkungen des Abs. 2 unterliegt auch der befreite Vor-
erbe (§2136 BGB.).
Diese dingliche Gebundenheit des Rechtes des Vorerben muß
der Grundbuchrichter wegen seiner Prüfungspflicht beachten, um so
mehr, als die im übrigen genügend geschützte Stellung des Nach-
erben gerade durch die Bestimmungen des BGB. über den öffent-
lichen Glauben des Grundbuchs gefährdet werden kann.
Ganz anders ist aber die Stellung des Testamentsvollstreckers.
Gerade im bewußten Gegensätze zum Entw. I § 1900, welcher dem
Testamentsvollstrecker wie dem Vorerben eine kausal beschränkte Ver-
fügungsbefugnis einräumen wollte, hat der Entw. II § 2075 ihm ein
absolut freies Verfügungsrecht gewährt (Mot. 5, 232, 233; Prot.
5, 281). Diese Bestimmung ist Gesetz geworden (§ 2205 BGB.).
Widerspruch gegen die Auffaffung der Kommission ist in der weiteren