Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 50 (1906))

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Einzelne Rechtsfälle.

an dem vorgeschriebenen Orte, sondern in Hagen ausgeführt worden
sei. Bei dieser Entscheidung ist das Berufungsgericht zutreffend davon
ausgegangen, regelmäßig sei dort zu verkaufen, wo sich die Ware
zur Zeit der Annahmeverweigerung befinde, mithin am Versendungs-
orte, wenn der Käufer vor der Absendung erklärt habe, er werde
die Ware nicht annehmen. Es ist dann erwogen, im vorliegenden
Falle sei laut Abschlußschreiben vom 7. Januar und 8. Juni 1901
Erfüllungsort für die Lieferung die Kokerei der Kocks- und Kohlen-
werke in Weitmar. Von hier aus sei die Versendung auszuführen
und hier sei auch der Selbsthilfeverkguf vorzunehmen gewesen. In-
soweit geben die Erwägungen des Berufungsgerichts zu rechtlichen
Bedenken keinen Anlaß. Zu beanstanden ist aber die entscheidende
Erwägung, nur ausnahmsweise dürfe der Verkauf dann an einem
anderen Platze erfolgen, wenn dieser geeigneter erscheine. Nun
behaupte aber Klägerin selbst nicht, daß Hagen besonders günstig,
also dem Verkaufe bei der Kokerei vorzuziehen sei. Ob Hagen ebenso
günstig sei, was das Landgericht aus eigener Kenntnis verneine, sei
gleichgültig. Das Berufungsgericht begrenzt die Ausnahmen von der
für den Ort des Selbsthilfeverkaufs geltenden Regel zu eng, wenn
es eine Ausnahme nur für den Fall zulassen will, daß der Selbst-
hilfeverkauf an einem hierfür geeigneteren Orte als dem regel-
mäßigen stattgefunden hat. Der § 373 HGB. enthält über den
Ort, wo der Selbsthilseverkauf ftattzufinden hat, keine Bestimmung,
insbesondere ist darin nicht, wie im § 383 BGB. bestimmt, daß der
Verkauf gerade am Leistungsorte, d. h. Erfüllungsorte, stattftnden muß
und daß nur dann, wenn ein angemessener Erfolg nicht zu erwarten
ist, an einem anderen Orte zu verkaufen ist. Den Bedürfnissen des
Handelsverkehrs entsprechend muß eine freie Auffassung Platz greifen.
Demgemäß wird eine Ausnahme von der Regel schon dann gerecht-
fertigt erscheinen, wenn der Verkäufer einen anderen Verkaufsort
nicht rein willkürlich, sondern in gutem Glauben gewählt hat, weil
er als ordentlicher Kaufmann den Interessen des säumigen Käufers
Rechnung tragend nach Würdigung der Umstände des Falles den
gewählten Verkaufsort mit Rücksicht auf die Gleichheit der Markt-
verhältniffe und seine nicht große Entfernung von dem regelmäßigen
Verkaufsort als gleich geeignet, wenn auch nicht als geeigneter
als den letzteren angesehen hat und ansehen durfte. Die Auffaffung
des Berufungsgerichts, daß ein Verkauf an einem anderen Orte nur
stattfinden dürfe, wenn dieser geeigneter sei als der regelmäßige Ver-

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