Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 21 = 3.F. Jg. 1 (1877))

15.17. Sicherheitsbestellung für die Gläubiger einer liquidirenden Aktiengesellschaft

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Rechtfälle. B. Gutachten.

Nr. 33.
Aktiengesellschaft. Liquidation.
Die Sicherheilsbestellung, welche zu Gunsten der Gläubiger schwe-
bender Verbindlichkeiten oder streitiger Forderungen erfolgen muß,
ehe eine Vertheilung des Gesellschaftsvermögens unter die Aktionäre
statthaft ist, wird durch bloße Reservation eines entsprechenden Be-
trages nicht bewirkt. Wird eine Aktiengesellschaft solidarisch mit
Anderen von einem Gläubiger in Anspruch genommen, so ist der
ganze Betrag der Forderung sicher zu stellen oder zu deponiren.
H.G.B. Art. 202. 245.
Ueber die Auslegllng des Art. 202 ist in einem Gutachten vom
3. Juli 1875 Folgendes ausgeführt:
Einzelne Kaufleute hafteil für ihre Schuldeil bis zur Klagver-
jährung; für offene Handelsgesellschaften ist die Haftung der aus-
tretenden Gesellschafter im Wesentlichen auf 5 Jahre nach dem Aus-
tritte oder der Auflösung der Gesellschaft beschränkt. Bei Aktien-
gesellschaften ging Ulan davon aus, daß die Haftung illusorisch sei,
wenn das Bermögerl den einzelnerl, vielleicht gar nicht inehr zu er-
mittelnden Aktionären ausgezahlt worden sei. Deshalb schrieb man
eine Zeit (ein Jahr) vor, innerhalb bereu nach Bekanntmachung,
daß die Auszahlung erfolgen werde, die Gläubiger sich melden soll-
ten, und bestimmte, daß Liquidatoreil lind Auffichtsrath haften
sollten, wenn sie früher vertheilteil, und dadurch ein Gläubiger
verkürzt werde.
Es entstand die Frage, für wen refervirt werden müsse. Art.
202 Abs. 2 antwortet: alle bekannten Gläubiger, gleichviel ob sie
aus den Büchern hervorgehen, oder in anderer Weise bekannt sind,
müssen gedeckt werden. Melden sie sich, so kann mit ihnen ver-
handelt werden, melden sie sich nicht, so muß der Betrag deponirt
werden.
Der dritte Absatz jenes Artikels fügt hinzu, daß es nicht darauf
ankommt, ob jene Dritten bereits Gläubiger sind, daß es vielmehr
genügt, wenn sie nach Lage der Sache Gläubiger werden können
(schwebende Verbindlichkeiten, Engagements), und daß es auch nicht
darauf ankommt, ob die liquidirende Gesellschaft die Forderung an-
erkennt oder bestreitet (streitige Forderung).
Alle diese Personen müssen gedeckt werden durch baare Deposi-

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