Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 21 = 3.F. Jg. 1 (1877))

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Beiträge zu der Lehre

Wer also die Eintragung des Eigenthumsüberganges anfechten
und deswegen eine Vormerkung in Gemäßheit des § 9 eintragen
lassen will, muß dem Prozeßrichter glaubhaft machen, daß die an-
gefochtene Eintragung, beziehungsweise die Auflassung, auf Grund
deren sie erfolgt ist, ungültig oder unwirksam sei.
Darüber, ob diese Vormerkung dem als Eigenthümer Eingetra-
genen das Recht zu weiteren Eintragungen entzieht, hat das Gesetz
eine ausdrückliche Bestimmung nicht. Die Analogie der Grundsätze
des Allg. Landrechts Th. I. 4. §§ 103 ff. über Bedingungen führt
zur Bejahung der Frage. Auch die Zweckmäßigkeit spricht hierfür,
da in der That eine große Verwirrung und erhebliche Unzuträglich-
keilen zu besorgen sind, wenn der Anfechtungsberechtigte mit seinem
Anspruch durchdringt und dann eine Menge Einschreibungen vor-
findet, die er nicht anzuerkennen braucht. Aber gleichwohl scheint
es mehr im Sinne des Gesetzes zu sein, wenn die gestellte Frage
verneint wird. Denn die Vormerkung dient nach § 9 des Gesetzes
zur Sicherung des Ansechlungsberechtigten gegen den Nachtheil, daß
„die in der Zwischenzeit von dritten Personen erworbenen Rechte
in Kraft bleiben." Es ist also vorausgesetzt, daß solche Rechte über-
haupt erworben werden, Kraft erlangen können.
Die Wirkung der Vormerkung liegt daher wesentlich in dem
Gebiet des materiellen Rechts. Der als Eigenthümer Eingetragene
behält formell die Befugniß, das Grundstück aufzulassen und zu be-
lasten. 75) Aber Diejenigen, welche in Folge der Ausübung dieser
Befugniß die Eintragung erlangt haben, müssen sich im Fall der
Liquidestellung des durch die Vormerkung geschützten Rechtes beschei-
den, daß ihre Erwerbung eine nichtige gewesen ist.
Das Recht zur Anfechtung der Eintragung des Eigenthumsüber-
ganges stellt sich entweder als rei vindicatio dar oder als condictio,
jenachdem der Berechtigte trotz der ihm entgegenstehenden Eintragung
der wahre Eigenthümer geblieben ist oder nicht. Die Vormerkung
erhält in jenem Falle das Eigenthum selbst, in diesem nur den An-
spruch auf Wiederauflassung des Eigenthums. Zn beiden Fällen
'0 Nach Turnau, Grundbuch-Ordnung S. 332 ist der eingetragene Eigen-
thümer, gegen den eine Vormerkung nach § 8 oder 9 des Ges. eingetragen ist,
zwar zur Belastung des Grundstücks zu verstatten, nicht aber zur Auflassung,
weil die Eintragung eines neuen Eigenthümers das Recht aus die Vormerkung
vernichten würde.

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