Eisenmann, Die Erlangung der Mensch-Eigenschaft.
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Rechte der alten orientalischen Kulturvölker, nach griechischem, römischem,
jüdischem, kanonischem und deutschem Rechte (5—37). Er zeigt, daß
bei aller Verschiedenheit in der rechtlichen Wertung des werdenden
Menschen fast immer und überall die mehr oder weniger klare Erkennt-
nis mitgespielt, hat, daß im Ungeborenen ein schutzfähiges und schutz-
bedürftiges Eigenwesen vorhanden sei. Ein weiterer Abschnitt (38—48)
ist der Behandlung der Mensch-Eigenschaft vom medizinischen Standpunkt
aus gewidmet. Nach den Feststellungen der neueren Naturwissenschaft
ist die griechisch-römische Lehre, daß das ungeborene Kind pars viscerum
matris sei, abzulehnen. Das Kind ist Sonderwesen von der befruchteten
Eizelle ab. Wie der geborene Mensch, nimmt das Kind vor der Ge-
burt Sauerstoff auf und gibt Kohlenoxyd ab. Kein Tropfen des mütter-
lichen Blutes vermischt sich mit dem des Kindes. Die Leibesfrucht hat
— vereinigt — ihren eigenen Stoffwechsel und ihre eigene Atmung.
Ei und Embryo äußern eine starke Lebensiätigkeit. Die Herzanlage ist
schon sehr früh festzustelleu. Der Embryo hat Bewegung usw. (43).
Von der so gewonnenen, sicheren physiologischen Grundlage aus wendet
sich der Vers, zur Behandlung der Frage im geltenden bürgerlichen
Rechte und Strafrechte (49—57, 58—66), knüpft daran Gedanken über
die zukünftige Gesetzgebung betreffend die Erlangung der Mensch-Eigen-
schaft (67—82) und prüft schließlich insbesondere die Strafbarkeit der
Abtreibung (83 — 105).
Den Ergebnissen der Schrift, der eine klare und bei aller Knapp-
heit fesselnde Darstellung nachzurühmen ist, muß überall beigestimmt
werden. Eisenmann vertritt den Standpunkt, daß die Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuchs nirgends einen Widerspruch zu der medizinischen
Wiffenschaft enthalten und in Verbindung mit der herrschenden Aus-
legung der Gerichte den Anforderungen des Rechtslebens genügen. Das
BGB. spricht bekanntlich von der Mensch-Eigenschaft überhaupt nicht,
sondern redet im § 1 ausschließlich vom Zeitpunkte der Erteilung der
Rechtsfähigkeit. Daß die Leibesfrucht überhaupt nicht „Mensch" sei,
sagt das Gesetz nirgends. Zn Lehrbüchern und Gesetzbegründungen
werden häufig der Beginn der Mensch-Eigenschaft und der Beginn der
Rechtsfähigkeit miteinander vermengt. Eisenmann wendet sich dagegen,
daß der nasciturus, wie insbesondere von Ahlfeld (Nasciturus 1906)
vorgeschlagen, bedingungslos zum Rechtssubjekte gestempelt werde. Er
hebt mit Recht hervor, der nasciturus könne als Träger von Rechten
nur unter der Bedingung der Lebendgeburt behandelt werden; es handle
sich bei ihm nur um eine durch Erfüllung dieser Voraussetzung bedingte
„Vordatierung". „Mit einer Erteilung der Rechtsfähigkeit an den
»asciturus wäre" — von allen anderen Schwierigkeiten, die sie not-
wendig im Gefolge hätte, abgesehen — Konstruktionen und Fiktionen
über die Rechtsverhältniffe Ungeborener nicht aus der Welt geschafft.
Denn zunächst ist eine gewiffe Zeit lang das Erzeugtsein, die Existenz,
fraglich, und dann muß auch in bestimmtem Umfange für dm nondum
couceptus gesorgt werden, wie es zum Teil im Gesetze festgelegt ist,
zum Teil durch die Rechtsprechung geschieht" (68). Zn der Tat ist die