Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 48 (1904))

6.44. Baer, Über jugendliche Mörder und Totschläger

6.45. Görres, Der Wahrspruch der Geschworenen und seine psychologischen Grundlagen

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Literatur.

und Strafrichter sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben pflegten.
Wohl alle forensischen Gutachter gehen bei Abgabe ihres Gutachtens
von der „normalen Bestimmbarkeit" aus. Nach meiner Erfahrung sucht
aber umgekehrt sowohl der Psychiater wie der Strafrichter in Grenz-
fällen die Entscheidung für sich in Anspruch zu nehmen. Ersterer sieht
naturgemäß im Angeklagten in erster Linie den Kranken, den Anomalen,
der Staatsanwalt vor allem das Individuum, vor welchem die Gesell-
schaft geschützt werden muß. Die Fälle, in denen entgegen einem gut-
begründeten Gutachten das Gericht den Angeklagten für geisteskrank
erklärt, sind ganz vereinzelt. Wohl aber wird sich jeder Staatsanwalt
möglichst vor Sachverständigen hüten, welche die Grenze der normalen
Bestimmbarkeit erfahrungsgemäß sehr eng ziehen, und das wird so bleiben,
bis man sicher ist, daß die Gesellschaft vor dem auf die Grenze der Zu-
rechnungsfähigkeit stehenden Angeklagten durch Unterbringung in beson-
deren hierfür bestehenden Anstalten sichergestellt wird. Delbrück.

42.
Äbrr jugendliche Mörder und Totschläger. Kriminalanthropologische Be-
obachtungen. Von Geh. Med.-Rat vr. A. Baer, Oberarzt am Straf-
gefängnisse Plötzensee bei Berlin. Separatabdruck aus dem Archiv für
Kriminalanthropologie. XI. Band. Leipzig, 1903. F. W. C. Vogel.
(M. 1,50.)
Verfasser teilt die Beobachtungen mit, welche in Plötzensee an 22
jugendlichen Mördern und Totschlägern gemacht sind, unter Angabe des
Straffalls, des Vorlebens des Verbrechers, seiner körperlichen und
geistigen Beschaffenheit, und seines Verhaltens während der Strafhaft.
Das Ergebnis bestätigt den anderweit wiederholt von medizinischen
Autoritäten verfochtenen Satz, daß es Verbrecher mit Merkmalen so-
matischer Art nicht gibt, welche für die verbrecherische Art spezifisch
sind. Der Lombrososche geborene Verbrecher existiert nicht. Wohl aber
zeichnen sich diese jugendlichen Verbrecher schon frühzeitig durch besondere
eigenartige psychische und ethische Eigenschaften aus, die sich zum größten
Teil aus ihrem Entwickelungsgang und dem Milieu erklären, in welchem
sie aufwuchsen. Auch wünscht Verfasser, weil die jetzige Art des Straf-
vollzugs sich nicht bewährt, besondere Anstalten für schwere Missetäter
jugendlichen Lebensalters, in welchen die Unverbesserlichen unter ihnen
auf unbestimmte Zeit festzuhalten wären. Delbrück.

43.
Nrr Wahrspruch der Geschworenen und seine psychologische» Grundlagen.
Von Dr. Karl Heinrich Görres, Rechtsanwalt in Karlsruhe i. B.
Halle a/S., 1903. Carl Marhold. (Heft 2/3 der oben unter 5 bezeich-
neten „Grenzfragen".) (Einzelpreis dieses Heftes M. 2,—.)
Verfaffer betrachtet das Schwurgerichtsverfahren durch das Spektrum
der Psychologie. Er erkennt dabei als die Hauptmängel den verhäng-

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