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vorgelegt werden. Die Streitfrage, ob bei versagter Genehmigung sofort und
von selbst die Nothverordnung außer Kraft trete, wird mit Rücksicht auf die
Fassung und Entwickelungsgeschichte des betreffenden Artikels verneint, aller-
dings als wünschenswerth bezeichnet, eine derartige Bestimmung in die Ver-
fassung aufzunehmen. Einer anderen bis in die neuste Zeit viel behandelten
und verschieden beantworteten Frage begegnen wir im fünften Abschnitte
<S. 239): Rechtsgültigkeit von Gesetzen und Verordnungen. Es handelt sich
darum, ob nach der deutschen Gerichtsverfassung der Richter das Recht und
die Pflicht hat, das verfassungsmäßige Zustandekommen eines Gesetzes zu
prüfen. In Uebereinstimmung mit den bedeutendsten Autoritäten der Rechts-
wissenschaft bejaht der Verfasser diese Frage. Dem preußischen Richter stefst
allerdings laut Art. 162 ein solches Prüfungsrecht nicht zu; anders ist es
mit der Reichsgesetzgebung, hier hat der dem konstitutionellen Staatsrechte
widersprechende preußische Satz keine Anwendung gefunden. Der sechste Ab-
schnitt (S. 248) handelt in kurz zusammenfassender Ausführung von der
zeitlichen und örtlichen Wirksamkeit der Gesetze, der siebente Abschnitt (S. 253)
von den Grenzen der gesetzgebenden Gewalt. Solche können entweder in der
eigenen Verfassung des Staates beruhen, indem die Aufhebung eines Gesetzes
erschwert wird oder durch einen höheren staatlichen Organismus gezogen sein,,
wie es für Preußen durch die Verfassung des deutschen Reiches geschehen ist.
Den Schluß des ersten Kapitels bildet der achte Abschnitt (S. 259) über
Aufhebung der Gesetze, Dispensation von denselben und ihre Suspension.
Als zweite Form der Staatslhätigkeit steht der Gesetzgebung der ge-
sammte Bereich der vollziehenden Gewalt gegenüber, der den Inhalt des
zweiten Kapitels ausmacht. Dasselbe zerfällt wieder in drei Abschnitte, von
denen der erste die Vollziehung als eine Einheit betrachtet und ihr Verhältniß
zur Gesetzgebung feststellt; dann kommt der tiefgreifende Unterschied zwischen
Verwaltung und Justiz zur Sprache.. Trotz der außerordentlich umfangreichen
Literatur über diese Partie des Staatsrechtes begegnen wir gerade hier einer
Menge Jrrthümer und Widersprüche. Der Verfasser grenzt die beiden Ge-
biete scharf ab, indem er zuerst den objektiven Unterschied zwischen Rechtssachen
und Verwaltungsangelegenheiten und dann den geschichtlichen Scheidungsprozeß
zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden in Betreff ihrer Kompetenz
klar darlegt. Nach dieser allgemeinen Auseinandersetzung werden Justiz und
Verwaltung im Befondern betrachtet und zunächst (S. 289) folgt die Lehre
von der Justiz im engeren Sinne. Sie wird in sieben Abschnitte zerlegt.
Im ersten (S. 289) erhalten wir eine nähere Bestimmung des Wesens der
Justiz, die in diesem Wesen liegenden Funktionen der Gerichtsherrlichkeit und
Urtheilsfindung werden im zweiten Abschnitt (S. 293) behandelt. Der
Rechtssinn der Deutschen hat schon früh gewiffe gemeinrechtliche Fundamental-
sätze der Justiz (S. 299) zur Anerkennung gebracht, welche im Laufe dieses
Jahrhunderts ihre weitere Entwickelung gefunden haben. Nach heutigem
preußischen und deutschen Rechte werden folgende als die wichtigsten hervor-
gehoben: alle Gerichtsbarkeit ist eine staatliche und königliche, sie wird von
unabhängigen Gerichten ausgeübt, sie muß die Möglichkeit bieten, ein Urtheil
durch geordneten Jnstanzenzug einer wiederholten Prüfung zu unterwerfen und
schließlich das Gerichtsverfahren muß ein mündliches und öffentliches fem.
Im vierten Abschnitt (S. 317) gibt der Verfasser eine kurze Entwickelung