Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 18 = N.F. Jg. 3 (1874))

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Der erste Richter weist die von der Klägerin gegen den Beklagten
auf Herausgabe der Retorten gerichtete Klage ab. Der zweite Richter
verurtheilt den Beklagten. Auf Revision hat Königl. Ober-Tribunal
(III. Senat) durch Erkenntniß vom 5. September 1873 in Sachen der
Prinz Carls Hütte wider Schumann (Nr. 1338), unter Abänderung
des zweiten, das erstinstanzliche Erkenntniß wieder hergestellt aus
folgenden Gründen:
Brandt erlangte durch die Ablieferung der bestellten Retorten an
dem Orte ihrer Bestimmung das Eigenthum an denselben und wurde
die Erlangung dieses Rechts durch die Zurdispositionsstellung derselben
an die Klägerin nicht ausgeschlossen, da letztere erst nach dem Empfange
der Retorten erklärt worden ist, also zu einer Zeit, wo die Uebergabe
schon bewirkt worden war. Es kommt also lediglich darauf an, ob
Klägerin durch die Rückgängigmachung des mit Brandt abgeschlossenen
und ausgeführten Geschäfts zu der angestellten Klage, namentlich auch
gegenüber dem Verklagten, mit dem sie in keinem Vertragsverhältnisse
steht, berechtigt worden ist. Nach dem zwischen Klägerin und Brandt
getroffenen Abkommen wurde die Bestellung und Lieferung der Retorten
rückgängig gemacht und dieselben von Brandt der Klägerin wieder über-
lassen. Eine Uebergabe (L.-R. I. 7 § 58) war in diesem Abkommen
nicht enthalten, weil der Fall der Uebergabe durch bloße Willenserklärung
(88 70 ff.) nicht vorlag und eine Wiederinbesitznahme Seitens der
Klägerin durch die Entfernung der Retorten von dem Orte des Abkommens
selbstverständlich ausgeschlossen wurde. Klägerin erlangte durch dasAbkommen
nur das kontraktliche Recht auf Wiedereinräumung des Besitzes der Retorten
(8 121 f. I. 2). Dieses Recht kann sie gegenüber dem Verklagten nicht
verfolgen, der sich zuvor, mag er nun Gläubiger des Brandt sein oder nicht,
eigenmächtig in den Besitz derselben gesetzt hat, also als unredlicher Besitzer,
beziehungsweise Inhaber ohne allen Rechtsgrund anzusehen ist, zu der
Klägerin aber in keinem Rechtsverhältnisse steht. Zu Unrecht leitet der
Appellationsrichter ein direktes Klagerecht der Klägerin gegen den Ver-
klagten aus § 163 A. L.-R. 1.7. her, der zwar zur Folge hat, daß der bloße
Inhaber im Streite um den Besitz gegenüber den zu dem Besitze Befugten
unterliegt, aber zu seiner Voraussetzung hat, daß der letztere, wenn auch nicht
das Eigenthum, doch wenigstens den Besitz für sich und vermöge des
Rechts zu letzterem oen Vorzug vor dem bloßen Inhaber hat. Da
Klägerin den Besitz der Retorten auf Grund des Abkommens mit Brandt
nicht wieder ergriffen hat, steht ihr eine Klage auf deren Herausgabe
gegen den Verklagten nicht zu und ist die Klage deshalb abzuweisen.

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