Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 40 = 5.F. Jg. 5 (1896))

Einstweilige Verfügung.

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verletzt und in Folge dieser Verletzung auf nicht absehbare Zeit er-
werbsunfähig geworden zu sein. Sie hat deshalb eine Klage aus
Schadensersatz erhoben. In erster Instanz sind ihr 120 M. und für
entgangenen Verdienst vom 1. Januar 1895 ab bis zum Wiederein-
tritt ihrer Erwerbsfähigkeit vierteljährlich 375 M. zugesprochen, unter
Vorbehalt der Ermittelung eines noch weiter zu erstattenden Schadens«
Das Urtheil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt. Beklagter
legte gegen das Urtheil Berufung ein. Auf seinen Antrag beschloß
das Berufungsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvoll-
streckung unter der Bedingung, daß der Beklagte durch Hinterlegung
von 750 M. Sicherheit leiste. Nun beantragte die Klägerin, indem
sie anführte, daß sie von allen Mitteln entblößt und in Folge des
Verschuldens des Beklagten unfähig geworden sei, etwas zu erwerben,
im Wege der einstweiligen Verfügung anzuordnen, daß Beklagter ihr
zu ihrem Unterhalt 1000 M., welche auf die ihr zu gewährende
Rente anzurechnen seien, zu zahlen habe. Das Berufungsgericht hat
diesen Antrag abgelehnt, da eine Abschlagszahlung nicht im Wege
der einstweiligen Verfügung erlangt werden könne, indem sie die
Regelung eines einstweiligen Zustandes in Beziehung auf ein streitiges
Recht nicht enthalten wiirde. — Die hiergegen erhobene Beschwerde
erscheint begründet.
Gemäß § 819 der C.P.O. sind einstweilige Verfügungen zum
Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältniß zulässig, sofern diese Regelung insbesondere
bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nach-
theile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen
Gründen nöthig erscheint. Hier handelt es sich um die Zahlung
einer Rente für die Zeit der Erwerbsunfähigkeit der Klägerin. Daß
der Anspruch noch im Streite ist, daß also die Möglichkeit vorliegt,
daß er schließlich für unbegründet erklärt werde, steht nach der Civil-
prozeßordnung grundsätzlich der Erlassung einer einstweiligen Ver-
fügung, wonach der Beklagte vorläufig gewisse Zahlungen an die
Klägerin zu leisten habe, nicht entgegen. Daß einem Forderungs-
berechtigten bei geeigneter Sachlage im Wege einstweiliger ^bersügunK
Befriedigung verschafft werden kann, ist durch die Vorschrift des
§ 584 der C.P.O. unzweideutig anerkannt, indem hiernach die Ein-
ziehung von Alimenten im Eheprozeffe den Gegenstand einer einst-
weiligen Verfügung bilden kann (vergl. Entsch. des R.G. in Civils.
Bd. 9 S. 334). Die Klägerin ist nach ihrer Angabe durch das Vcr-

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