Die religiöse Erziehung der Kinder aus Mischehen.
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welcher bei Ehen zwischen Personen verschiedenen Glaubensbekennt-
nisses die Söhne in der Religion des Vaters, die Töchter aber in
dem Glaubensbekenntnisse der Mutter, bis nach zurückgelegtem
14. Jahre unterrichtet werden sollen, nur dazu diene, den Religions-
unterschied in den Familien zu verewigen, und dadurch Spaltungen
erzeugen, die nicht selten die Einigkeit unter den Familienmitgliedern
zum großen Nachtheil derselben untergraben.
Höchstdieselben setzen daher hierdurch allgemein fest:
daß eheliche Kinder jedesmal in der Religion des Vaters
unterrichtet werden sollen, und daß zu Abweichungen von dieser
gesetzlichen Vorschrift kein Ehegatte den andern durch Verträge ver-
pflichten dürfe.
Uebrigens bleibt es auch noch fernerhin bei der Bestimmung
des § 78 a. a. O. des A.L.R., nach welcher Niemand ein Recht hat,
den Eltern zu widersprechen, so lange selbige über den ihren Kindern
zu ertheilenden Religionsunterricht einig sind."
Diese Gleichstellung des gemeinschaftlichen Bestimmungsrechts
der Eltern mit dem alleinigen Bestimmungsrecht des Vaters ent-
spricht durchaus dem Wesen der Ehe.
Die letztere ist die innigste Lebensgemeinschaft zwischen Mann nud
Frau, aber an sich kein juristisches Verhältniß. Sie ist ein solches
vielmehr erst geworden wegen ihrer alle Lebensverhältnisse be-
rührenden Bedeutung.^)
Nun wird aber das Recht, als auf die Herstellung der äußern
Lrdnung abzielend, in die innern Angelegenheiten der Ehe nicht
weiter eingreifen wollen, als dies zur Durchführung ihres wesent-
lichen Zweckes erforderlich ist. Es wird also die heiligen Em-
pfindungen der Eltern achten wollen, welche ersteren ihren Ausdruck
gefunden haben in der Wahl des Glaubensbekenntnisses für die
Kinder.^)
Dessen ist sich auch der Gesetzgeber bewußt geworden. Der
gedruckte Entwurf des „Allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen
Staaten" enthielt nämlich die strikte Vorschrift, Inhalts deren
von den Kindern einer Mischehe die Söhne dem Glaubensbekenntniß
des Vaters und die Töchter dem der Mutter folgen sollten.5)
J) Puchta, Pandekten § 411.
4) Hinrichs S. 102. „Das A.L.R. nimmt in religiösen Fragen eine neu-
trale Stellung ein."
5) Tophoff S. 385.