Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 37 = 5.F. Jg. 2 (1893))

Die Reformatio in peju3 bei Eidesurtheilen.

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senats?) Es geschieht mit beachtenswerther Zurückhaltung und Ver-
klausulirung. Der Gedankengang hebt mit der Negative an, daß die
Reichscivilprozeßordnung „keineswegs in ganz allgemeiner Weise, also
unbeschadet der Einhaltung des Grundsatzes des § 498 C.P.O. —
dem Berufungsgericht die Befugniß gegeben habe, einen Eid —
zu beseitigen, insbesondere ihn immer schon dann zu beseitigen, wenn
es bezüglich desjenigen thatsächlichen Sachverhaltes, welchen das
Gericht erster Instanz noch nicht für bewiesen oder andererseits noch
nicht für widerlegt erachtete, und bezüglich besten daffelbe daher noch
auf einen Eid erkennen zu müssen glaubte, seinerseits die Ueber-
zeugung gewinnt, es sei jener thalsächliche Sachverhalt für bewiesen
oder andererseits für widerlegt zu erachten." Es lasse sich dafür
weder aus der Natur des Eides noch aus C.P.O. §§ 411, 437
Schlüsse ziehen; dagegen spräche der Inhalt der gesetzgeberischen
Verhandlungen. Entscheidend sei daher, ob im einzelnen Falle die
Beseitigung des erstinstanzlichen Eides durch das Berufungsgericht
eine unzulässige reformatio in pejus bilden würde; eine solche liege
aber mindestens dann vor, wenn bei gleichen thatsächlichen
Aufstellungen der Parteien und der gleichen Beweis-
lage, wie in erster Instanz, das Berufungsgericht die durch
richterlichen Eid des Klägers bedingte Sachentscheidung auf Be-
rufung des die Klageabweisung fordernden Beklagten in eine unbe-
dingte Verurtheilung desselben verwandele, während der Gegner nur
die Verwerfung der Berufung beantragt habe.
Das ist alles vorsichtig und sorgsam darauf berechnet, den
Konflikt mit anderen Senaten und die grundsätzliche Entscheidung
der Frage zu vermeiden, läßt aber doch recht unbefriedigt. Es scheint
zwischen zulässiger und unzulässiger reformatio in pejus unter-
schieden werden zu sollen; es scheint, daß Fälle gedacht werden, in
denen der Eid ohne Antrag von Amtswegen beseitigt werden dürfe;
allein jeder nähere Aufschluß darüber fehlt. Weshalb die Identität
des Prozeßstoffes in erster und zweiter Instanz wesentlich sein soll,
ist ohne Weiteres nicht einzusehen. Es hätte, um zu überzeugen,
der Nachweis geliefert werden müssen, daß die Gründe, welche etwa
die Offizialbeseitigung des Eides stützen könnten, in dem vom Reichs-
gericht unterstellten Falle fehlen.
Daß es solche Gründe giebt, hat das Reichsgericht anerkannt.

3) Entsch. des R.G. in Civils. Bd. 29 Nr. 113 S. 423 ff.
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