Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 37 = 5.F. Jg. 2 (1893))

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Die Reformatio in pejus bei Eidesurtheilen.

Entscheidung fordern oder wenigstens dem Schwurpflichtigen den Eid
durch erschwerende Zusätze unmöglich zu machen suchen. Wie nun,
wenn der Eid überflüssig ist, wenn schon jetzt zu Gunsten des
Schwurpflichtigen entschieden werden könnte, hindern dann die An-
träge? Möglich auch, daß der Schwurpflichtige den Eid los sein
will, während der Gegner glaubt, es auf ihn ankommen lasten zu
sollen in der Hoffnung, daß nicht werde geschworen werden, oder
in der irrthümlichen Anschauung, daß doch eine günstigere Ent-
scheidung nicht erreichbar sei. Wie, wenn das Gericht das Gegen-
theil des EidesthemaS bereits für sestgestellt oder dieses für ganz
unerheblich hält und daraus die Konsequenz der Niederlage des
Rechtsmittelklägers ziehen müßte? Stehen die Anträge entgegen?
Röthigen sie zu an und für sich unzulässigen und überflüssigen Eiden?
Theoretisch betrachtet ist die Frage eine Probe auf die Richtig-
keit der vulgären Auffassung der Verhandlungsmaxime und der
Lehre von der sog. relativen Rechtskraft. Hier muß sich erweisen,
wie weit die den Richter zwingende Kraft des Parteiwillens geht.
Die Parteianträge sind der formell unentbehrliche Ausdruck deffelben.
Bindet er gegen die Logik und die Regeln des Beweisrechts?
I.
Zn der Praxis, soweit mir dieselbe bekannt ist, herrscht die
Neigung vor, die aufgeworfenen Fragen auf dem bequemen Wege
buchstabengläubiger Auslegung zu erledigen. Zn den Worten der
C.P.O. §§ 498, 522 findet man die unverkennbare Weisung, daß
die Anträge strenge binden. Man glaubt dafür eine starke Stütze
in den Materialien des Gesetzes zu haben. So erledigt alle Zweifel
ein Urtheil des obersten Landesgerichts für Bayern vom 19. De-
zember 1884*) mit dem Hinweis aus die Materialien und den
„ohnedies klaren Wortlaut" des § 498. Einzelne Landesgerichte
haben in uns zugänglichen Entscheidungen es ähnlich gemacht oder
sich wohl mit dem einfachen Zitat des § 498 begnügt?) Das
Reichsgericht, dessen Zudikatur einer eingehenderen Besprechung be-
darf, beruft sich auf die Materialien zum ersten Mal in einer
neuerdings (14. Zuni 1892) erlaffenen Entscheidung des II. Civil-

9 Seuffert, Archiv für Entsch. der Obersten Gerichte Bd. 40 Nr. 160.
9 Vergl. u. A. O.L.G. Dresden v. 7. März 1882 in Wengler, Archiv für
civil. Entsch. 1883 S. 605.

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