Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 37 = 5.F. Jg. 2 (1893))

Zu den Urtheilen des Prof. vr. Köhler rc.

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sprirch und Beharren auf seiner früheren Meinung betreffs des Scheines
im Kaufmann von Venedig gewagt hat. Aber Ihering hat philo-
sophische Schulung in feinem Werke „der Zweck im Rechte" kund
gegeben, wenn er auch keine Philosophie des Rechtes schreiben wollte.
Der Vorwurf des „Egoismus so schal wie möglich" ist so ungerecht
wie nröglich. Allerdings klingen die drei Sätze, auf welchen die
Stellung der Person in der Welt beruhen soll: 1) Ich bin für mich
da, 2) die Welt ist für mich da, 3) Du also bist für mich da —
nicht gefühlvoll, nicht poetisch. Aber auch Hegel, welcher Ihering
entgegen gehalten wird, hat keine poetische Rechtsphilosophie geschrieben.
Der Satz: „Alles Vernünftige ist wirklich und was wirklich ist, das
ist vernünftig" muthet gerade so wenig poetisch an, wie die Aus-
führungen über das abstrakte Recht in den §§ 34ff. der Philosophie
des Rechts. Die Hauptsache ist, welche Konsequenzen aus diesen
Sätzen gezogen worden sind, und da ist doch nicht zu verkennen, daß
nach Ihering nicht bloß Lohn und Zwang, sondern auch Pflichtgefühl
und Liebe die Hebel der sozialen Bewegung sind. Und wenn man
nach Trost und Stütze der Menschheit „mit ihrem Weh und Leid,
ihrer Selbstqual und inneren Zerfleischung" sucht, so würde man
beide in Zhering's Buch kräftiger als bei Hegel und Schopenhauer
schon in dem einen schönen Satze finden: „Treue energische Erfüllung
der Berufspflicht vermag dem Menschen selbst bei harten Schicksals-
schlügen einen Halt zu bieten, sie erhält ihm die Thalsache gegenwärtig,
daß sein Leben, wenn auch für ihn selber seines Werthes und Reizes
beraubt, doch für Andere noch Werth und Bedeutung hat." Wo ist
da Egoismus? Und warum wurde ganz vergessen, wie viele An-
regungen Ihering in seinen Jahrbüchern für Dogmatik gegeben hat?
Mrr scheint die Anknüpfung an Savigny's culpa in contrahendo
noch bedeutsamer als die Lehre von der Voraussetzung. Doch auf
alle Einzelheiten soll nicht eingegangen werden.
Beiden Rechtslehrern gegenüber wird immer das Werk „Shake-
speare vor dem Forum der Jurisprudenz" hervorgehoben, womit
der Scheideweg zwischen denselben eingetreten sein soll. Was Wind-
scheid darüber gedacht hat, ist auch mir nicht bekannt geworden.
Jedenfalls hat er das Buch mit Wohlwollen und Interesse gelesen,
ob er aber mit den philosophischen und ästhetischen Ergebnissen über-
all einverstanden gewesen sei, kann bezweifelt werden. Jedenfalls
hätte er die geistreichen und von reicher Fülle des Wiffens zeugenden
Untersuchungen über Schuldhaft und Blutrache lieber als selbständige

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