Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 37 = 5.F. Jg. 2 (1893))

196 Zu den Urtheilen des Prof. Dr. Köhler rc.
Reichsgericht ist ihr nicht beigetreten. Ich selbst gestehe, von der
Richtigkeit dieser Lehre mich noch nicht überzeugt zu haben, denke
aber deshalb weder von der Rechtswissenschaft des Herrn Köhler noch
von der des verstorbenen Windscheid geringer.
Noch zwei Beispiele mögen angeführt werden:
Herr Köhler rechnet es sich zum besonderen Verdienste an, die
ganze Geschäftsführung auf die Idee der Menschenhülfe im Privat-
recht zurückgesührt und daraus die Eigenartigkeit des ganzen Geschästs-
sührungsverhältnisses entwickelt zu haben. Es mag dahin gestellt
bleiben, ob dies eine werthvolle Entdeckung sei, und ob sie nicht unter
Umständen zum Ergebniß führen könnte, daß Herr Köhler den neuen
Winterüberzieher bezahlen müßte, wenn der aus thätiger Liebe han-
delnde Nachbar denselben in der Befürchtung angeschafft hat, Herr
Köhler möchte sonst erfrieren. Immerhin hatte Windscheid nicht
nöthig im § 430 von dieser „thätigen Liebe" zu fprechen, sondern er
mußte sich einfach an die Digesten 3. 5 und den Codex 2. 18 <19)
halten und die Litteraturnachweise in der einleitenden Note sind den-
jenigen, für welche das Werk bestimmt ist, nützlicher als eine philo-
sophische Betrachtung. Mit dem Ausrufe: „Ganz anders der größte
Pandektist unserer Zeit, Heinrich Dernburg" setzt Herr Köhler diesen
Pandektisten dem schlimmen Verdachte aus, daß derselbe die nego-
tiorum gestio anders, etwa so behandelt habe, wie Herr Köhler es
bei Windscheid tadelnd vermißt. Zu Ehren Dernburg's kann aber
konstatirt werden, daß in Band 2 §§ 121, 122 die Lehre klar, schlicht
und praktisch vorgetragen wird.
Im Notherbenrecht stehen sich von jeher das Derogationssystem
und das Additionalsystem gegenüber. Windscheid ist dem letzteren
beigetreten, Dernburg dem ersteren. Alan kann darüber streiten, wer
Recht hat, aber von einer „glänzenden und siegreichen Ausführung
Dernburgs" ist im Band 3 § 145 nichts zu ersehen. Die Gründe
für die Derogation sind kurz und klar, im Wesentlichen aber nicht
neu. Damit soll selbstverständlich durchaus kein Tadel gegen Dern-
burgs Pandekten ausgesprochen werden.
Den Grund der Angriffe gegen Ihering, dem „nicht nur philo-
sophische Bildung, sondern jede philosophische Ader" gefehlt haben
soll, könnte man leicht darin vermuthen, daß derselbe der „universal-
historischen Darstellung des Schuldrechts und der Haftung des
Schuldners mit Leib und Leben, der Universalgeschichte des Blut-
rachegedankens" das gehoffte Lob nicht gespendet, ja sogar Wider-

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