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Internationales Privatrecht.
erörterung vorziehen möchte, bezeichnet Niemeyer den von mir als
richtig erachteten Weg zur Lösung der Schwierigkeiten, welche das
internationale Privatrecht des Einführungsgesetzes l) bietet. Leider,
muß ich sagen, hat Niemeyer die Grundidee dieses Prinzips nicht
so verstanden, wie sie von mir ausgestellt ist. Dieses Prinzip soll
nach Niemeyer (S. 21) „dem bescheidenen Zurücktreten unserer Rechts-
ordnung gegenüber der Kompetenz anderer Rechtsordnungen grund-
sätzlich das Wort reden, nicht nur im Sinne politischer Zweck-
mäßigkeit, sondern im Sinne juristischer Nothwendigkeit". Dieser
Kennzeichnung gegenüber ist zu betonen, daß das Prinzip der Zu-
ständigkeitserörterung voll und ganz im Einklänge steht mit den
Prinzipien, welche stets von den berufenen Vertretern der deutschen
auswärtigen Politik für diese als maßgebend bezeichnet worden sind,
nämlich daß das Deutsche Reich einerseits Herr im eigenen Hause
ist und kraft seiner Souveränität selbständig seine Angelegenheiten
besorgt, daß es hierbei in erster Linie die eigenen Jntereffen
wahrnimmt und für die Vortheile, die es anderen Staaten bietet,
die entsprechenden Gegenleistungen in Anspruch nimmt, daß es
andererseits aber auch dieselben Rechte, welche es für sich be-
ansprucht, den anderen Staaten zubilligt und sich nicht, soweit nicht
ein deutsches Interesse dies verlangt, in deren Angelegenheiten mischt.
Diesen Grundsätzen entsprechen folgende Sätze:
1. Der deutsche Gesetzgeber ist kraft seiner unantastbaren Souve-
ränität befugt, soweit er es für gut befindet, seinen Gerichten
die Normen vorzuschreiben, nach denen sie das auf den ein-
zelnen Fall anwendbare Recht zu bestimmen haben. Er kann
frei und unabhängig bestimmen, daß das deutsche oder ein
ausländisches Recht anzuwenden sei. Solche Vorschriften, mögen
sie in den deutschen Gesetzen oder in Staatsverträgen des
Deutschen Reichs oder in reichsrechtlich anerkannten Staats-
verträgen eines Bundesstaats (E.G. Art. 56) sich finden, sind
schlechthin bindend für den deutschen Richter.
2. Bei der Normirung dieser Vorschriften läßt sich der deutsche
Gesetzgeber in erster Linie von deutschen Jntereffen leiten.
3. Vortheile werden anderen Staaten nur zugestanden auf dem
Fuße der Gegenseitigkeit.
*) Neumann, Internationales Privatrecht, Berlin 1896, S. 25,148; ferner
Verhandlungen des 24. Deutschen Juristentags I S. 498, IV S. 104 ff.; Hand-
ausgabe des B.G.B. Bd. 3 S. 1336 ff.