Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 46 (1902))

Rechtsmißbrauch.

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genannten Auffassung den Vorzug giebt, könnte vielleicht zu der
Annahme gelangen, daß ein Rechtsmißbrauchsverbot nicht auch das
Verbot des Besitzmißbrauchs in sich schließt. Jedoch wenn irgendwo
es angezeigt erscheint, Grundsätze, die zunächst nur für Rechte ge-
schaffen wurden, auf den als Nichtrecht behandelten Besitz auszu-
dehnen, so gilt dies in Ansehung des Chikaneverbots: ein Gesetz,
welches selbst Rechtsausübungen für unzulässig erklärt, weil sie
Lchädigungszwecke verfolgen, wird Besitzausübungen unter gleichen
Voraussetzungen unmöglich als zulässig behandeln. — Was die re-
lativen Rechte anlangt, so dürfte ihre allgemeine Zugänglichkeit dem
Chikaneverbote gegenüber an und für sich ebensowenig zu bezweifeln
sein. Die Thatsache, daß Prozeße solcher Art hier weniger häufig
Vorkommen, erklärt sich zunächst daraus, daß an jenm Rechtsver-
hältniffen immer nur zwei Parteien betheiligt sind, wodurch eine
mißbräuchliche Ausübung Dritten gegenüber mindestens sehr erschwert
erscheint. Ferner jedoch pflegen gerade bei relativen Rechten die
Verpflichtungen der Betheiligten größere zu sein, weshalb eine Be-
rufung auf § 226 B.G.B. sich meist bereits aus der Erwägung er-
übrigt, daß die Handlungsweise des anderen Theiles überhaupt
keine Ausübung von Rechten, sondern eine Verletzung von Pflichten
bildete. — Nach dem, was bisher gesagt wurde, bedarf es nur des
kurzen Hinweises darauf, daß zu den Rechten im Sinne unseres
Verbots auch die sogen. Aufhebungsrechte gehören, mögen sie, wie
die Wandelungseinrede, das Zustandekommen einer entsprechenden
Willenseinigung voraussetzen oder aber, wie das Anfechtungsrecht,
durch einseitige Erklärung ansgeübt werden.23)
2:1) Zu Mißverständnissen muß es führen, wenn Flechtheim a. a. O. zu-
nächst sagt, der Gesichtspunkt der Chikane gelte für alle Aufhebungsansprüche,
soweit sie nicht nur ex nunc wirken (S. 93), dann aber fortfährt: „Keine An-
wendung findet die Chikaneeinrede auf die durch einseitige empfangsbedürftige
Willenserklärung auszuübenden Aufhebungsrechte, wie Anfechtungsansprüche
Rücktrittsrecht, Aufrechnungsrecht; denn in diesen Fällen bedarf es keiner Mit-
wirkung des Klägers zur Aufhebung" (S. 97). Die chikanöse Rechtsausübung
wird niemals auf eine gegnerische Mitwirkung zu rechnen haben. Thatsächlich
wendet Flechtheim in jenem Satze die Regeln über den Rechtsmtßbrauch auch
gar nicht „auf die Ausübung der Aufhebungsrechte" an, sondern auf das Ver-
halten des anderen Theiles gegenüber einer solchen Aufhebung. Er untersucht
z. B. nicht, ob die Geltendmachung der Wandelungseinrede eine Chikane ent-
halte, sondern er prüft lediglich, ob die Kaufgelderklage des Verkäufers und die
verweigerte Einwilligung desselben zur Wandelung chikanös sei. Da nun bet
ven einseitig zu erklärenden Aufhebungen eine Mitwirkung des andere« Lhetleß

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