Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 46 (1902))

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Literatur.

gangen. Nach meiner Erinnerung befanden sich darin aber, überein-
stimmend mit den Erfahrungen des Vers., mehrere Sachen, in denen
10 Terminsverlegungen und mehr stattgefunden hatten. Das Uebel ist,
wie der Verf. näher ausführt, schon seit Jahrhunderten im deutschen
Prozeßverfahren eingebürgert, und alle Versuche, dasselbe zu beseitigen,
find bisher gescheitert. Ich war gespannt, ob der Verf. auf Grund des
jetzt geltenden Prozeßrechts ein wirksames Gegenmittel ausfindig gemacht
habe. Er macht auch eine große ?>ahl von Vorschlägen, die jeden
Leser sehr interessiren müssen. Er gelangt jedoch in dem Schlußsätze
seiner Schrift zu dem Resultate:
Widerstrebenden Parteien gegenüber läßt sich freilich die verständige
Handhabung des Gesetzes einstweilen noch nicht durchsetzen.
Ich bin mit dem Verf. ganz einverstanden, daß bei gutem Willen
der Anwälte und Entgegenkommen des Vorsitzenden und des Gerichts
der Uebelstand vermieden oder jedenfalls sehr genüldert werden kann.
Wenn aber die Parteien eine Verzögerung des Prozesses wollen, ist es
oft schwer für den Anwalt, dem zu widerstreben. Ein Zwang gegen
die Partei, ihn rechtzeitig zu informiren und die Beweismittel inner-
halb der gesetzten Frist anzugeben, besteht nicht. Der Anwalt kann in
solchem Falle auch bei gutem Willen die Vereitelung der Termine nicht
vermeiden. Und das würde noch mehr zutresfen, wenn man den Fall
setzt, daß der Anwalt keinen guten Willen hat, die Sache zu beschleu
nigen. Daß es wünschenswerth sein würde, wenn das Gesetz mit bin
dender Kraft für Richter und Anwälte ein Verfahren anordnete, welches
dem Uebelstande wirksam entgegenträte, läßt sich gewiß nicht leugnen.
Worin aber die hierzu erforderlichen gesetzlichen Maßregeln bestehen
sollten, kann ich aus den gewiß wohlbegründeten Vorschlägen des Verf.
nicht ersehen. Die in Frankreich versuchte Aushülfe durch einstweilige
Verfügungen des Gerichtsvorsitzenden dürfte in Deutschland kaum An-
klang finden. Ob es wünschenswerth sein würde, nach Vorbild der
österreichischen Civilprozeßordnung Vertagungen der Parteiwillkür zu ent-
ziehen und den auch von beiden Parteien gestellten Vertagungsantrag
nur zuzulassen, wenn er auf glaubhaft zu machende besondere Hinde-
rungsgründe gestützt wird, muß m. E. ebenfalls für bedenklich erachtet
werden, weil darin ein zu großer Eingriff in das Recht der Parteien
auf den Betrieb des Prozesses liegt. Der Verf. verkennt nicht (S. 24,
46), daß durch die Verkürzung der Einlassungsfrist und das Gebot, den
Termin nur soweit hinauszurücken, als es zur Wahrung der Einlaffungs-
frist erforderlich ist 262, 26k der C.P.Ö. n. F.), eine Beschleunigung
mancher Prozesse eingetreten ist. Weshalb er nicht bei seinen Vorschlägen
auf die Ansetzung eines Sammel- oder Vortermins eingegangen ist, kann
ich nicht einsehen. Ueber die Zulässigkeit desselben habe ich mich in
diesen Beiträgen Bd. 44 S. 149 ff. näher ausgesprochen.
Am wenigsten haben mir die Schlußausführungen der Verf.
(S. 53 ff.) gefallen. Wir haben kraft Gesetzes die Mündlichkeit des
Verfahrens, und ich halte nicht für richtig, wenn die Richter nicht diese

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