Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 46 (1902))

Rechtsweg (Anspruch auf ehrbares Begräbniß). 1139
(vergl. Art. 4) in Kraft gebliebenen § 1 Ges. vom 13. Mai 1873,
über die Grenzen des Rechtes zum Gebrauche kirchlicher Straf- und
Zuchtmittel — G.S. S. 205 — nicht aufgehoben, da es sich dabei
um eine aus staatlichen, namentlich polizeilichen Gründen getroffene
Anordnung handelt, und daher durch Verweigerung eines „ehrlichen"
Begräbnisses seitens der Kirche die Geltung des Staatsgesetzes in
Frage gestellt, mithin insoweit über das rein kirchliche Gebiet in die
staatliche und bürgerliche Sphäre hinübergegriffen wird (vergl.
Hinschius, Die preuß. Kirchengesetze des Zahres 1873 S. 28 ff. und
Koch's Komment, zum A.L.R. — 8. Aust. — Anm. 91 zu § 188
II. I I). Mit der Bestimmung im § 188 setzt sich nun aber der § 11
der Begräbnißordnung vom 22. September/8. November 1887
insoweit in Widerspruch, als darin die, abgesehen von den Erb-
begräbniffen, allgemein angeordnete Beerdigung „in geschloffenen
Reihen nach einander", im einzelnen Falle davon abhängig gemacht
wird, „sofern die Vorschriften der römisch-katholischen Kirche es ge-
statten", da den Mitgliedern der Kirchengemeinde bei der Beerdigung
aus Gründen der Kirchenzucht gemäß § 1 des ged. Ges. vom 13. Mai
1873 zwar die kirchliche Mitwirkung versagt, nicht aber das ihnen
staatsgesetzlich zustehende Recht auf ein übliches und regelmäßiges,
d. i. ein „ehrliches", Begräbniß entzogen werden kann. —
Versagen die Einwendungen der Beklagten und ist somit das
Verlangen der Klägerin, daß die anderweite Beerdigung ihres ver-
storbenen Ehemanns auf dem Kirchhof „innerhalb der Reihe" er-
folge, gerechtfertigt, so kann es sich nur noch fragen, ob auch ihr
weiteres Verlangen begründet ist, daß die Beklagte selbst und auf
ihre Kosten die Wiederausgrabung und anderweite Beisetzung der
Leiche bewirke. Das Berufungsgericht bejaht dies auf Grund der
bedenkenfreien Feststellung, „daß der Pfarrer H. — der Vorsitzende
der Kirchhofskommission des Kirchenvorstandes, § 2 der Begräbniß-
ordn. — das Begräbniß in der Reihe verweigert und die Beisetzung
des verstorbenen Ehemanns an der Stelle, an welcher sie erfolgt ist,
angeordnet hat." Auch hier erscheint die getroffene Entscheidung,
bezüglich deren ein besonderer Angriff seitens der Revision ebenfalls
nicht erhoben ist, gerechtfertigt. Die beklagte Kirchengemeinde ist für
das Verhalten des Pfarrers H. bei Bestimmung des Begräbniß-
platzes verantwortlich, da er dabei als Vorsitzender der Kirchhofs-
kommission innerhalb des ihm zugewiesenen Geschäftskreises und als
Willensorgan der Beklagten handelte (vergl. Urth. des R.G. vom
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