Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 49 (1905))

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Einzelne Rechtsfälle.

Gerichtspraxis begegne man immer nur Zweifeln, Bedenken und ab-
lehnenden Entscheidungen. Die Geltung von Erbverträgen in Lübeck
lasse sich nirgends Nachweisen. Als vollends ausgeschlossen müsse es
gelten, daß Erbeinsetzungsverträge gänzlich formlos, also auch münd-
lich, in Lübeck hätten eingegangen werden können. Vielmehr müsse
in Beziehung auf die Form der Errichtung daran festgehalten werden,
daß der Erbeinsetzungsvertrag denjenigen gesetzlichen Vorschriften
unterliege, die für letztwillige Verfügungen überhaupt bestanden haben.
Die Revision wendet hiergegen folgendes ein. Es müsse nach
den RG. 8, 133f.; 11, 217 oben von der gemeinrechtlichen Geltung
der formlosen Erbverträge ausgegangen werden. Die Erbverträge
hätten sich gemeinrechtlich auf Grund der aus dem römischen
Rechte übernommenen Freiheit und Formlosigkeit der Verträge ent-
wickelt. Es handle sich hierbei nicht etwa unl lokale Gewohnheits-
rechte, sondern um eine gemeinrechtliche Rechtsüberzeugung, die
allerdings auf der Jurisprudenz beruhen möge, jedenfalls aber ge-
meinrechtlicher Natur gewesen sei. Unter diesen Umständen bedürfe
es nicht des besonderen Nachweises, daß Erbverträge auch in Lübeck
und zwar formlos abgeschlossen, Geltung hatten. Höchstens könnte
in Frage kommen, ob sich in Lübeck ein lokales Gewohnheitsrecht
herausgebildet habe, welches sich in Gegensatz zu der gemeinrecht-
lichen Rechtsüberzeugung stellte. Eine derartige Feststellung die dann
eventuell nach tz 562 ZPO. unanfechtbar sein würde, werde aber
vom Berufungsgerichte nicht getroffen. Eventuell wäre eine derartige
Feststellung anfechtbar, weil die gemeinrechtlichen Grundsätze über
Bildung lokaler Gewohnheitsrechte verletzt wären. Die Frage, ob
ein Erbvertrag in Lübeck Gültigkeit haben würde, sei, wie in dein
Buche von Plitt, Erbrecht, bezeugt werde, vom Oberappellations-
gerichte nicht entschieden worden. Denigemäß könne die einzelne Ent-
scheidung des Obergerichts (in Sachen Gadow gegen Gadow) nicht in Be-
tracht kommen. Was sonst vom Berufungsgerichte gegen den Erbvertrag
angeführt werde, seien Erwägungen allgemeiner Natur bzw. solche
aus dem Begriffe des Erbvertrags heraus, die gegenüber der Recht-
sprechung des Reichsgerichts nicht in Betracht kämen.
Dieser Angriff der Revision konnte keinen Erfolg haben.
In den von der Revision angezogenen Entscheidungen hat der
dritte Zivilsenat des Reichsgerichts ausgesprochen, daß die Errichtung
der Erbeinsetzungsverträge gemeinrechtlich durch keine Formvorschriften
bedingt sei. Diesem Satze liegt die Auffassung zugrunde, daß der

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